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Theater als Schnäppchenmarkt

■ Das Junge Theater bittet zur Novemberrevolution ohne Fahrschein: Ein Monat Gratistheater

Lieber ein billiges Abenteuer als ein teures Vergnügen, sagen sich viele, zumal junge Menschen, und geben dem kneipenbeseelten Sommernachtstraum den Vorzug vorm theatralischen. Das kostet letztlich mehr, aber immerhin drückt gestandenes Bier, nicht abgehobene Langeweile auf die Blase. Dabei ist das Theater gar nicht so ranzig wie sein Ruf. Eher schon das Publikum, das so ganz ohne Nebenströme im Premierenteich dümpelt.

Das Junge Theater wünscht sich Hörende statt Hörige und bietet einen ganzen Monat lang „Theater für Alle“. Mit kostenlosem Eintritt will man der Schwellenangst des Publikums begegnen. Eine unkonventionelle Idee angesichts leerer Kassen, die zu beklagen sich allerorten die Theater zusammenschließen. Hat das Junge Theater zu viel Geld?

Eine Frage, die, weil ökonomisch, aus der falschen Richtung gestellt ist, meint Gründungsmitglied Carsten Werner. Nach wie vor bestehe der Etat zu 70 bis 80 Prozent aus Eintrittsgeldern, und das werde, bedauert Werner, wohl auch so bleiben müssen: „Es wäre doch geil“, schwärmt er, wenn sich im November 95 alle Bremer Theater als eintrittsfreie Zone präsentieren würden. Doch bislang kommen von dort eher Vorwürfe, das Junge Theater wolle lediglich Werbung fürs eigene Haus machen.

Sicherlich fällt auch in dieser Hinsicht etwas ab, doch die Beschwerde trifft eher die Absender. Mit Spenden, die in Buchläden, bei Theaterfans, Parteien und Firmen zusammnegetingelt wurden, mit überschaubaren Zuschüssen aus dem Finanz- und Kulturressort hat das Junge Theater ein beachtliches Novemberprogramm zusammengestellt: Zum einen wird namhaften Bremer KünstlerInnen wie Rudolf Höhn, Claudia Scholl, Christiane Müller und dem Blaumeier-Atelier die Bühne geboten. Das Jürgen-Bartsch-Stück des Jungen Theaters wird ergänzt vom Gastspiel der Gruppe Lubricat, das sich mit dem Massenmörder Haarmann beschäftigt. Als AkteurInnen der Freiburger Gruppe Sehnsucht wirken Skins, linke Jugendliche und AsylbewerberInnen gemeinsam. Kein One-Night-Stand, wie das gleichnamige Stück des Münchner schwulen Improvisationstheaters. Tim Fischer, Cora Frost, Oliver Lesky & Jakob Vinjé versprühen Charme und Gift bei Chansons, Doris Gerke, Frank Göhre und Jürgen Alberts setzen das Publikum auf die Spur von Mördern. „Heimlich, still und leise“ wird auch Michael Wildenhain daherkommen. Die brisanten gesellschaftspolitischen Theaterstücke des Szeneautors werden von konservativen Bühnen eher gemieden.

Darf so einer wie der, ein Informatikstudent, Stücke veröffentlichen? „Wer darf eigentlich Theater spielen“, lautete eine der Ausgangsfragen bei der Planung der Novemberrevolution. Bewußt suchte, fand man neben dem Mainstream und wird schon deswegen ein anderes Publikum anziehen. „Nicht den routinierten Kulturgeher, der zweimal ins Kino und am Wochenende in die Theaterpremiere geht“, hofft Carsten Werner, der bei allem experimentellen Charakter seines kulturellen Schnäppchenmarktes an eine Tradition anknüpfen möchte.

Denn daß das Theater ohne Billet zu einem Publikum mit Köpchen führt, hat schon die Breminale bewiesen, die allerdings nur als Festival des Kommerzes überlebte. Das Junge Theater will sich die Chance erhalten, von einem engagierten Publikum zu erfahren, was die Leute am Theater interessiert. Und das, umsonst ist nur der Tod, hat eben seinen Preis. dah

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