■ Filmstarts à la carte: In bester Kakerlage
Ein kleines australisches Gegenmodell zu all den süßen Rain Men und Forrest Gumps etc. ist vielleicht Bad Boy Bubby, den man auf keinen Fall in bereits leicht gereizter Stimmung ansehen sollte. Die Sache beginnt nämlich so klaustrophobisch wie möglich mit Mutter allein zu Haus, wobei „zu Haus“ ein Euphemismus für eine Art Garage in bester Kakerlage ist. Bad Boy Bubby kriegt manchmal sogar eine davon zu essen, tagsüber, wenn er auf seinem Stühlchen festgeschnallt ist.
Abends muß er die große weiße Mutter, die nicht jedermanns Geschmack ist, beschlafen. Als Mutter wieder einen Vater trifft, kommt der Tag, da will auch Bubbys Säge sägen. Tut's und tritt hinaus in die Welt, die sich zunächst einmal als ziemlich trostloses Kombinat aus versyphten Matratzen und treulosen alten Katzen darstellt. Aber dann findet er zurück in das Land, in dem honigweiße Brüste blühen, diesmal aber die richtigen, die von den Mädchen und Krankenschwestern, die ihn an dieselben drücken. Abends geht er sogar für eine Punk-Band singen, in deren Musik er paßt wie der Möllemann in die FDP: einfach Weiterknattern!
In meinem Busen wohnen zwei Ach! Eins ist für „Drugstore Cowboy“, das andere für Mala Noche (keins da für „Even Cowgirls Get the Blues“) – alles drei Filme von Gus van Sant, der übrigens wirklich ein ziemlich netter Kerl ist, wie er da so in Venedig herumsaß und uns erklärte, warum ihm die 70er so wichtig sind. (In dem Interview hat er irgendwas wirklich Interessantes dazu gesagt, was ich aber blöderweise vergessen und in meinem Kürbiskopf leider auch von der zuständigen Kassette gelöscht habe. Ärgerlein, ärgerlein.)
Jedenfalls verhält es sich mit „Mala Noche“ so ähnlich wie mit Jim Jarmuschs „Permanent Vacation“ – es ist der noch rohe Film im Gegensatz zum gekochten, der Urwald im Gegensatz zum Park, die Jam Session im Gegensatz zum Kammerkonzert (nichts gegen Kammerkonzerte übrigens).
„Mala Noche“ ist, wenn ich mich recht entsinne, gänzlich in einem sinistren Schwarzweiß gehalten; Nachtschatten lungern in den Ecken herum, ein paar Stricher aus Portland schlagen sich durch und durch, und zwar auf Kosten eines verliebten amerikanischen jungen Trottels – die wohl intelligenteste Konstruktion, die irgendjemandem bislang zum Thema Einwanderung eingefallen ist. Nicht zu vergleichen mit dem Kitsch, der dann in „My Private Idaho“ herausgekommen ist, weil van Sant versucht hat, dem Ganzen einen Hauch von Shakespeare zu geben. Wer „Rumble Fish“ mochte, wird „Mala Noche“ nicht widerstehen können.
Man ist David Jacobsens Criminal zunächst mal zugetan, weil er wirkt wie einer dieser krisp klaren, gewitzten amerikanischen Independents. (Hat jemand „In the Soup“ gesehen? So diese Art.) Schnell stellt sich aber heraus, daß hier jemand bei dem Versuch, ausgerechnet G. Edgar Ulmers „Detour“ zu kopieren, böse gestrauchelt ist. Büroangestellter stiehlt erhebliches Geld, um seiner Frau ein feins Häuschen zu kaufen, dabei liegt die längst mit einem dahergelaufenen Daherläufer im Bett und macht sich über ihn mopsig. Darauf ergreift er das Auto und fährt middle of the road – wie der ganze Film, so streunet auch er. Liest natürlich unterwegs eine andere Frau auf, eine Waffe kommt ins Spiel.
Gerade fiel mir noch ein Film mit dem Titel Aufrecht gehen: Rudi Dutschke – Spuren ins Auge, und ich wollte schon davon sprechen, daß man sich angesichts solcher zum Bandscheibenvorfall einladenden Titel hinter den Zug werfen möchte – da fiel mir auf, daß der Film letzte Woche lief und übrigens gar nicht so schlecht sein soll. Er wäre im Haus der Demokratie gewesen. mn
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