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■ Zeitlich befristeter „Abschiebestopp“ für KurdenSolang es in den Ohren schrillt

Die Entscheidung nennt sich „Abschiebestopp“, aber trägt die Züge eines Embargos: bis zum 20. Januar liefern wir nicht. Waffen und Handelswaren schon, aber keine Menschen. Als Reaktion auf die Verurteilung von acht türkischen Abgeordneten hat die Bundesregierung eine Kehrtwende auf Zeit gemacht. Bis zum genannten Stichtag – „und keinen Tag länger“ – will Bundesinnenminister Kanther keine Kurden mehr abschieben. Für die Türkei nicht gerade eine harte Drohung. Sie hat die jetzt verweigerte Lieferung von unbequemen Menschen ohnehin nie geordert. Sie loszuwerden ist allein das Interesse der anderen, der deutschen Seite.

Politisch ist die Entscheidung dennoch Signal: nie zuvor in den vergangenen Jahren sind Bundesregierung und Bundestag so scharf auf Distanz zum Nato- und Handelspartner Türkei gegangen wie nach den Urteilen gegen die Parlamentarier. Selten zuvor haben auch die Gremien der Europäischen Gemeinschaft so deutlich gemacht, daß die Türkei sich mit ihrer Innenpolitik in eine Isolation drängt, die ihr außenpolitisches Buhlen um freundschaftliche Umarmung zum unsittlichen Getatsche macht.

Das Signal ist wichtig und enthält doch – was den Abschiebestopp angeht – schiefe Zwischentöne und zynischen Beigeschmack: die Auslieferung oder Nichtauslieferung von Flüchtlingen an ihren Verfolgerstaat ist keine Frage von Symbolik. Sie eignet sich nicht für Drohungen und nicht für Ultimaten. Sie kann allein an dem Stand der Menschenrechte und an den tatsächlichen politischen Verhältnissen gemessen werden. Und die sind in der Türkei so wenig neu, wie sie im Januar beim Ablauf des Abschiebestopps alt sein werden.

Gerade drei Wochen ist es her, da nahmen es die Innenminister der Länder hin, daß ein politisches Zweigestirn aus Bundesinnenminister und bayerischem Innenminister den Abschiebestopp für Kurden aushebelten. Der Aufschrei dagegen glich im Bonner Bundeshaus einem resignierten Seufzen. Jetzt haben die Urteile von Ankara die Herrschaften aufgeweckt. Unterhalb der Phon-Schwelle einer Alarmsirene sind Politikerohren offenbar längst taub geworden.

Manfred Kanther setzt darauf, daß die Sirene bis Januar wieder abgeklungen ist. Anders ist die zeitliche Befristung des Abschiebestopps nicht zu erklären, denn so größenwahnsinnig, bis dahin die türkische Kurdenpolitik verändert zu haben, kann selbst ein deutscher Innenminister nicht sein. Der Abschiebestopp für Kurden ist denn auch weniger ein Ultimatum an die Türkei, sondern eher eine Machtprobe mit dem Bundesinnenminister, der sich mit seinen Äußerungen zu diesem Thema täglich mehr als ein Politiker desavouiert, für den Menschenrechte keine objektive Größe, sondern Verhandlungssache sind. Vera Gaserow

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