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Staatsschutz gegen „Edelweißpiraten“

■ Um an Informationen zu kommen, wurde aus den linken „Edelweißpiraten“ eine „rechtsextremistische Gruppe“

Geht es um Informationen über die Berliner Antifa-Szene, sind der Polizei sowie dem Staatsschutz offenbar jedes Mittel recht. Wegen Diebstahls wurde der dreizehnjährige Mathias* Anfang September bei der Polizeidienststelle Moabit vorgeladen.

Mathias und drei seiner FreundInnen im Alter zwischen dreizehn und sechzehn Jahren, allesamt aktiv bei der Antifa-Jugendgruppe „Edelweißpiraten“, waren wenige Tage zuvor von einer Polizeistreife erwischt worden, als sie versuchten, einen Kaugummiautomaten zu knacken. Bei der Durchsuchung der Wohnungen hatten Polizeibeamte unter anderem abgebrochene Mercedessterne gefunden sowie mehrere Kartons Fotos beschlagnahmt.

Als Mathias im Beisein seiner Mutter von der Polizei verhört wurde, spielte der Kaugummiautomat nur anfangs eine Rolle. Später zog der vernehmende Beamte nach Angaben der Mutter eine größere Akte hervor und fragte sie, ob sie wisse, daß ihr Sohn Mitglied einer rechtsextremistischen Gruppe namens Edelweißpiraten sei.

Wäre es um den Kaugummiautomaten gegangen, sagte sie zur taz, hätte sie der Polizei Auskunft gegeben. Da sie aber gemerkt habe, daß der Beamte die Namen weiterer „Edelweißpiraten“ in Erfahrung bringen wollte, habe sie die Aussage verweigert.

Vom polizeilichen Staatsschutz bekam Mathias eine zweite Vorladung. Auch die drei anderen Festgenommenen wurden vorgeladen. Da die Beschädigung eines Kaugummiautomaten nach Ansicht von Mathias und seiner Mutter kaum in den Zuständigkeitsbereich des polizeilichen Staatsschutzes gehört, ignorierten beide die Ladung. Zum Staatsschutz gegangen ist lediglich die sechzehnjährige Ayșe* – aus Angst um ihren Einbürgerungsantrag. Auf Fragen nach den „Edelweißpiraten“ machte sie jedoch keine Aussage. Ein jugendlicher „Edelweißpirat“, der mit dem Kaugummiautomaten nichts zu tun hatte, war ebenfalls nicht erschienen.

Beamte des Staatsschutzes hatten bei den Eltern einiger Jugendlicher Hausbesuche gemacht sowie die Lehrer der Betroffenen in den Schulen aufgesucht. Gegenüber der taz war der Staatsschutz zu keiner Auskunft bereit.

Daß es den Staatsschützern nicht nur um die Aufklärung des versuchten Einbruchs ging, sondern um Einschüchterung und Kriminalisierung, zeigt der Fall des vierzehnjährigen Thomas*. Seinen Eltern gegenüber wurden die „Edelweißpiraten“ als linksextremistische Gruppe bezeichnet, die vom Verfassungsschutz als terroristisch eingeschätzt werde. Diese Angaben sind falsch.

Die Nachforschungen sind nicht die ersten Aktivitäten der Ermittlungsbehörden gegen die in losen Cliquen zusammengeschlossenen „Edelweißpiraten“. Bereits zu Beginn diesen Jahres hatte der Verfassungsschutz vergeblich versucht, den zwanzigjährigen FU- Studenten Peter Z. als V-Mann zu werben (die taz berichtete). Der Grund dafür: Z. war zwei Jahre zuvor mit Flugblättern der „Edelweißpiraten“ gegen rechtsextreme Zeitungen wie die Nationalzeitung oder die Junge Freiheit in eine Autokontrolle der Polizei in Hohenschönhausen geraten. Uwe Rada/Thomas Blum

* Namen von der Redaktion geändert

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