piwik no script img

■ StandbildAbgeblättert "Album '94 - Bilder eines Jahres"

„Album '94 – Bilder eines Jahres“, Mittwoch, 20.30 Uhr, ZDF

Jahresendzeit, Erinnerungszeit. Mit dem patronistischen Tonfall eines Großvaters, der voller Nachsicht über den ungezogenen, aber gut veranlagten Enkel sinniert, blättert Eberhard Piltz für das ZDF durch die „Bilder des Jahres“. Mit seinen mal altersschwachen, mal pathetischen Kommentaren hat er Mühe, signifikante Linien in den Ereignisbrei zu ziehen. Waldbrände in Australien, eine neue Eiszeit in Nordamerika. „Das Klima spielt verückt“, Gemetzel in Ruanda, Bomben in Sarajevo: „Die Welt äußert Empörung“.

Überleitungen vermeidet Piltz, das bewahrt ihn vor manchem Sprach-Spagat. Doch die simple Addition bunter Bilder birgt auch ihre Tücken. Die Demonstrationen der Kurden auf deutschen Autobahnen und die Schweinepest in Niedersachsen, hält nur ein Schnitt auseinander. Bilder von Carter in Bosnien, „und in Hamburg stirbt Carl Schmitt“.

Bei Piltz sind die Ereignisse des Jahres allein vom launischen Schicksal organisiert. Statt sich in Analysen zu versuchen, wuchtet Piltz eine Phrase nach der anderen auf bunte, wehrlose Bilder. Der Krieg im ehemaligen Jugoslawien ist „eine Heimsuchung“. Husseins Kampfgeschrei ein „Säbelrasseln aus heiterem Himmel“. Die Menschen im Gaza- Streifen brauchen noch „viel Mut zum Prinzip Hoffnung“. Auch der Papst in Zagreb ist ohnmächtig. „Was kann der Pastor schon tun als beten?“ fragt Piltz und scheint solidarisch den Kopf über die Gottlosigkeit zu schütteln.

Gelegentlich kippt die Besinnungstat vom Ermüdenden in ärgerlich gedankenarmen Kitsch. „Aus deutscher Provinz dringt ein Schrei“, versucht der Prediger den Trommelwirbel. „Es wird wieder über das Böse diskutiert.“ Und als zeige er auf das Versteck der schwarzen Spinne, berichtet Piltz vom Kindesmißbrauch in Flachslanden.

Unter seinen Augen wird die Welt klein, handlich und zusammenhangslos. Der Erdball ist „ohne Ordnung“, die internationale Politik aus den Fugen, sogar „die stille Zunft der Botaniker ist außer Rand und Band“. Im Dezember angelangt, wird der Ton versöhnlich. Piltz klopft uns aufmunternd auf die Schulter, empfiehlt Zuversicht und Gelassenheit. „Ein lautes Jahr geht zu Ende. Die Wirtschaftslage bessert sich, die Stimmung auch.“ Abspann und Feuerwerk. Morgen ist ja auch noch ein Tag. Birgit Glombitza

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen