■ Standbild: Nix Politisches? / Der erste Tatort: "Taxi nach Leipzig"
Der erste Tatort: „Taxi nach Leipzig“, Montag, 23 Uhr, ARD
Eigentlich reisen sie ja die ganze Zeit immer nur hin und her. Von Frankfurt nach Leipzig. Und von Hamburg nach Frankfurt, und von dort dann via Leipzig nach Berlin. Und wieder zurück. Und wieder nach Leipzig und wieder zurück.
Als Peter Schulze-Rohr 1970 die erste Folge der neuen Krimi- Reihe „Tatort“ drehte, konnten die Bewohner der ehemaligen drei Westzonen seit gerade mal zwei Jahren gegen Vorlage eines gültigen Reisepasses und mit amtlichem Visum wieder die Brüder und Schwestern besuchen, noch galt jedes Reise-Unternehmen als deutsch-deutsches Abenteuer, von dem nationale Geheimnisträger selbstverständlich ausgeschlossen waren. Daß der BRD-Kommissar Trimmel wegen dieses „toten Kindes in der Zone“, das ihm keine Ruhe läßt, schließlich heimlich auf die Transitstrecke Hamburg-Berlin eincheckt, um dann noch heimlicher von der vorgeschriebenen Route in Richtung Leipzig abzubiegen, ist in dieser neuen Zeit der Reiseerleichterungen vielleicht tausendmal spannender als jeder Mord im Sperrbezirk. Im Frühjahr 1970 hatte Willy Brandt erstmals den Vorsitzenden des Ministerrates der DDR, Willi Stoph, in Erfurt besucht.
Behutsam stützt der „Tatort“- Plot die Bemühungen der SPD- Führungsmannschaft um Wandel durch Annäherung. Zwar guckt Günter Lamprecht als namenloser Grenzposten gewohnt kritisch in den Kofferraum und erspart den Reisenden auch nicht das pedantische Stochern im Benzintank. Aber letztlich, so ermittelt Kommissar Trimmel alsbald, „verhalten sich die Menschen in Ost und West gefühlsmäßig doch ziemlich gleich“. Und so macht eben auch der sonst so akkurate Vopo Peter Clauß unter Trimmels inquisitorischem Blick einige folgenschwere Fehler, die den Kommissar dann auf die richtige Spur führen. „Nix Politisches, nichts Kriminelles, nur Menschliches“ habe er da zu ermitteln, beruhigt Timmel ein ums andere Mal seinen beim Geheimdienst tätigen Zonen-Schwager.
Der schweigt prompt schön still über die krummen Machenschaften seiner sozialistischen Brüder und Schwestern, und dafür behält Trimmel am Ende seiner deutsch-deutschen Mission für sich, was wir 1989 erst wieder lernen mußten: „Radeberger Pilsener“ schmeckt besser als das Westberliner „Schultheiss“, und die drüben sind auch Menschen wie du und ich. klab
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