■ Islamischer Religionsunterricht als Schulfach: Richtiger Schritt in falsche Richtung
Das Problem drängt, und es verlangt nach Lösungen: Will man fundamentalistischen Koranschulen nicht das Monopol auf Unterrichtung der islamischen Religion überlassen, muß man nach Alternativen suchen. Das liegt im Interesse der aufgeklärten Muslime, aber auch im Interesse einer zivilen Gesellschaft in Deutschland. Doch die schaut eher verängstigt-ratlos zu, wenn immer mehr Mädchen und Frauen das Kopftuch tragen und Trauben von Männern in die Moscheen drängen.
Sicher, das international erstarkte Selbstbewußtsein fundamentalistischer Hardliner macht nicht vor deutschen Grenzen halt. Aber das ist nur ein Grund, weshalb muslimische EinwanderInnen sich immer offensiver zu ihrer Religion bekennen. Der Islam erscheint vielen als letzte Klammer, die die auseinanderfallenden Familien zusammenhält, als Rettungsanker vor drohender Orientierungslosigkeit, als Wundermittel gegen Werteverlust oder Drogenabhängigkeit der Kinder. Der Islam ist gleichzeitig wichtiger Teil einer kollektiven Biographie, an der für viele Einwanderer mindestens soviel Identität hängt wie an der heimischen Staatsbürgerschaft.
Das deutsche Schulsystem hat diese ihre Religion bisher behandelt wie ein Schmuddelkind. Während der christliche Religionsunterricht nach wie vor seinen unangefochtenen Stammplatz im Schulalltag hat, ließ man den Islam sich einen Sitz zwischen allen Stühlen suchen. Daß man eine Weltreligion nicht so einfach ignorieren kann, sahen die deutschen Schulbehörden zwar ein. Doch zwischen Nicht-Ignorieren und Anerkennen liegen viele Möglichkeiten der Nichtachtung: Man kann einen Untericht erlauben, aber erst nach Schulschluß, man kann für ihn zahlen, aber dafür nicht die Verantwortung übernehmen wollen. Das alles ist gängige Praxis, und es ist kränkend. Kränkungen aber schaffen auch Märtyrer.
Wenn jetzt die Diskussion in Gang kommt, den Islamunterricht zu einem Schulfach zu machen wie den christlichen Religionsuntericht, dann ist das ein richtiger Schritt. Denn es gibt – nicht nur aus politisch-taktischem Kalkül – keinen Grund, dem Islam zu verweigern, was man dem Katholizismus zugesteht.
Doch der richtige Schritt geht in die falsche Richtung. Schon seit Jahren können die beiden christlichen Glaubensgemeinschaften kaum noch begründen, was sie überhaupt an Schulen zu suchen haben. Um ihre rasant schwindende Legitimation überhaupt noch zu retten, hat man jetzt – für die „Ungläubigen“ – Ersatzfächer wie „Ethik“ oder „Lebenskunde“ konstruiert. So ist es auch nicht nur noble Geste, wenn jetzt gerade kirchliche Kreise einen islamischen Religionsunterricht begrüßen. Um ihren eigenen Einfluß an den Schulen zu retten, geben sie einen Teil ihres Alleinvertretungsanspruchs auf.
Doch mit welchem Recht gehen in einer Gesellschaft, die die Trennung von Staat und Kirche postuliert, überhaupt noch Jünger egal welchen Glaubens an den Schulen ein und aus? Vera Gaserow
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