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■ Zum Rundumschlag in Sachen „Milliardengrab Ost“Gut gebrüllt, Aust, aber diese Fehler!

Der Überbringer der schlechten Botschaft der Woche hat reichlich übertrieben. Er hat sämtliche Katastrophenmeldungen durcheinandergemischt und etliches, was er jetzt am Kiosk als Nachricht verkauft, weiß er tatsächlich wohl nur vom Hörensagen. Der Kurier war berechnend. Er hat die Botschaft just zu dem Zeitpunkt überbracht, wo die Ohren am hellhörigsten waren – auch für falsche Töne. Aber hätte er die schlechte Nachricht deshalb zurückhalten sollen? Und wenn, wie lange noch? Seit Montag diskutiert die Republik ein Thema: den Aufschwung Ost und seine in den Sand gesetzten Milliarden. Was alle ahnten, viele wußten, einige bereits aktenkundig machten, aber niemand zum Politikum hochzuskandalisieren vermochte – der Spiegel hat es geschafft. Die publizistische Absicht dabei mag verstimmen, der Zungenschlag manchmal recht unangenehm sein, die Fakten allzu vorurteilsträchtig – die Debatte selbst jedoch ist wichtig und richtig. Dafür findet jeder seinen eigenen Beweis: Wer etwa an der Ostsee in jedem Seebad über eine ins Meer gerammte Seebrücke stolpert, fragt sich längst, welche Landesregierung und welche Kommune hier alle paar Kilometer für denselben Unsinn die Steuermillionen in die Fluten schmeißt.

Daß im Westen bis zur Zeit der knappen Kassen dieselbe unkoordinierte Unvernunft regierte, ist wenig tröstlich – sowenig wie die Tatsache, daß die Profite ja retour in den Westen fließen. Denn davon wandert der Solidarbeitrag nicht zurück aufs Konto. Und auch das Vertrauen in all die Bürgermeister, Gemeinderäte, Aufbauhelfer und Ministerialbeamten bringt es nicht zurück, die aus Naivität oder aus Gewinnsucht die Millionen aufgriffen, die nur so rauspurzelten aus dem großen Sack.

Aber warum hat niemand laut aufgeschrien: ein Loch ist im Sack! Die Debatte um den Aufschwung Ost und seine Milliarden wird damit schnell zu einem Lehrbeispiel für die Mechanismen öffentlicher Meinung und medialer Macht. Was der Spiegel jetzt zum Politikum erhebt, haben andere Medien längst berichtet. Viel genauer zum Teil, aber auch viel mosaikstückhafter. Offenbar brauchte es aber den großen Rundumschlag, um die Aufmerksamkeit zu erreichen. Und es brauchte eine mediale Instanz. Daß der Spiegel diese Instanz ist, mag andere, redlich recherchierende Journalisten mit der sicheren Gewißheit über die Ungerechtigkeit dieser Welt erfüllen. Entscheidender ist, daß es überhaupt noch Medien gibt, denen es gelingt, politische Themen zu setzen und Debatten einzufordern. Für das Wochenmagazin und seinen unter Erfolgszwang stehenden neuen Chef hätte die Titelgeschichte über das „Milliardengrab Ost“ deshalb zu einem medialen Punktsieg werden können – wäre die Geschichte nicht mit so viel unseriösen Fakten aufgeputscht, daß sie sich wegen Dopings selbst disqualifiziert. Vera Gaserow

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