piwik no script img

Mühlenfans geben Contra

■ Wer darf in die Wallmühle einziehen – ein Kneipier, ein Künstler oder eine Müllerin?

So unbehaust und außer Betrieb die Mühle in den Wallanlagen von weitem auch aussieht – hier wirbeln zwei Mühlenbesessene: der Großneffe des einstigen Müllers und der Chef der im Erdgeschoß residierenden Fahrschule. Die beiden gießen bei Hitze die Holzkeile im Kammrad, damit die nicht rausspringen, sie stellen bei starkem Wind die Lamellen der Flügel auf Durchzug, damit nicht, wie im Januar bei der unbewohnten Mühle in Horn-Lehe, ein Flügel abbricht. Und bei Sturm wachen sie sogar nachts: Dann lösen sie die Bremsbacken. Denn die meisten Mühlen brannten ab, weil sie bei gezogenen Bremsen heißliefen. Dank soviel Fürsorge sei die Wallmühle die besterhaltene unter den fünf Bremer Mühlen, sagen die beiden Männer. Das seien sie dem verstorbenen Müller Wolff auch schuldig: Schließlich ging der bei Bombenalarm nicht in den Bunker, sondern warf die Brandbomben von der Mühlenbalustrade in den Wallgraben. Die müllerlose Doventormühle dagegen brannte aus.

Die Wallmühle könnte heute sofort wieder mahlen – allerdings kein Feinmehl. Der Nazi-Staat baute im Rahmen der „Lebensmittelbewirtschaftung“ die Feinmahlwerke aus, damit der Müller nicht unkontrolliert viel „Kaiserauszugsmehl“ mahlen konnte. Vom bloßen Schrotmahlen aber konnte der Müller nicht leben. Also machte Wolff, der wie alle Müller ein halber Techniker war, eine Fahrschule auf. Später verpachtete er sie. Eine Fahrschule in der Mühle – das war zwar auch schon den damaligen Stadtoberen ein Dorn im Auge, doch aus den Café-Plänen ist in 20 Jahren nichts geworden.

Jetzt aber ist der Vertrag zwischen der Fahrschule und der Stadt abgelaufen. Und wieder werden Café-Pläne laut. Beirat Mitte und Wirtschaftsbehörde rufen „au ja“. Von einer nicht-öffentlichen Mühle habe schließlich niemand was. Die DenkmalschützerInnen aber jaulen auf. „Schaun Sie sich das doch mal an“, sagt Landesdenkmalpfleger, Hans-Christoph Hoffmann, „das ist reine Zimmermannskunst innen, alles aus Holz, nur außen hat die Mühle einen Backsteinmantel. Da kann man konstruktiv wenig drin rumbauen“. Müßte man aber, sollte ein Café rein. Dann fiele das technische Denkmal vom Anfang des 19. Jahrhunderts unter die Kuratel der peniblen deutschen Bauordnung. Und die verlangt eine feuerfeste Treppe, Kühlräume, Personaltoiletten ... „Das läuft aus dem Ruder, auch wenn eigentlich niemand was Böses will“, sagt Hoffmann.

Doch die Politik will ein Café. Jetzt bewilligten die Wirtschaftsförderungsausschüsse 164.000 Mark für einen Umbau-Wettbewerb. Die DenkmalpflegerInnen fügten sich zähneknirschend. Nicht ohne harte Bedingungen zu stellen: Mit den ArchitektInnen müssen Kolloquien stattfinden, Fachleute müssen zugegen sein – zum Beispiel von der „Mühlenvereinigung Niedersachsen“. Außerdem soll in der Mühle möglichst wenig umgebaut werden, lieber draußen für das Café einen ringförmigen Anbau entwerfen. Und die Klos müssen in den Mühlenberg gebaut werden.

Vor allem aber: In der Mühle muß dauerhaft ein Mühlenkundiger wohnen. Muß man eben in einem der unteren, nicht von Absackraum und Mahlanlage belegten Geschosse eine Wohnung einrichten. „Da wird natürlich rumgenölt“, beschreibt Hoffmann die Reaktion der anderen Behörden. „Aber nachdem in Horn-Lehe der Flügel ab ist, hab' ich doppelt Grund zu sagen: nur mit Wohnung.“ Am liebsten hätte er einen mühlenkundigen Künstler in der Mühle. Dann müßte man auch nicht so viel umbauen. Oder jene „studierte Dame“ aus Berlin zöge ein, die sich eben gemeldet hat: Die lernt die Müllerei in einer Senatsmühle in Berlin/Britz. Allerdings müßte sich die Berlinerin in Bremen schon selbst durchbringen – mit Cafébetrieb und Mahlkursen. Den Umbau für ein Café allerdings müßte der Staat zahlen. Denn eine Million Umbaukosten seien durch ein Café nicht zu erwirtschaften. „Wenn die Belastungen zu hoch sind, geht das garantiert in die Hose. Dann ist nach dem dritten Pächterwechsel Schluß.“ cis

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen