■ Press-Schlag: Des SC Freiburgs Platz an der Sonne
In der Pressemitteilung hieß es: „Beim SC Freiburg spielt bald auch die Sonne mit.“ Wie bitte? Ist es bei denen jetzt auch schon soweit? Hoeneß-Syndrom? Hatte Volker Finke, der Chefkonstrukteur des Freiburger Höhenfluges, nicht noch vor ein paar Wochen – wissend um das Ikarus-Debakel – gewarnt, „man sollte die Drachen nicht zu hoch steigen lassen“? Vergessen die alte Fußball-Weisheit: Wer nach den Sternen greift, verbrennt sich leicht die Finger? Oder wie oder wo oder was?
Aufklärung versprach ein Pressetreffen im „Heliotrop“. Nein, kein postmodernes Café in Südhanglage. Ein eher Science-fiction-mäßig anmutender Rundbau, der sich im Lauf eines Tages um 180 Grad dreht – so daß die Nutzräume immer in der Sonne liegen. Entwickelt hat diese energetische Selbstversorgungs-Tonne der Freiburger Solarenergie-Pfiffikus Rolf Disch.
Neuestes Ziel der südbadischen Sonnen-Disch-Connection: im Doppelpass mit den Himmelsstürmern aus dem Dreisamstadion an die Tabellenspitze der Solarenergienutzung vorzustoßen. Kein herkömmlich gewonnener Strom wird mehr im Spiel sein, wenn die Kicker in der kommenden Saison auch bei der Nachspiel-Brause noch unter Dampf stehen. Das Wasser wird mit alternativen Kräften erwärmt, und auch die den körperpfleglichen Aktivitäten folgenden hairstylistischen Fön-Exzesse werden künftig im Dreisamstadion umweltfreundlich verpuffen. In der Arena des gern als „Müsli-Mannschaft“ belächelten Finke-Teams wird die Energieversorgung komplett auf regenerative Energiequellen umgestellt.
Möglich wird der schnelle Konter gegen das träge System der Ressourcen-Verschleuderung mit einer 100- Kilowatt-Solarstromanlage auf dem Dach der neuen Südtribüne. Zusätzliche Sonnenkollektoren sorgen für das warme Wasser. Und damit die hochdotierten Kicker nach heißem Kampf auch an trüben Wintertagen nicht im Kalten stehen, liefert ein „mit Pflanzenölen aus der Region“ betriebenes Blockheizkraftwerk den energetischen Restbedarf. „Es ist einfach eine vernünftige Sache“, begründete Trainer Finke die SC-Beteiligung am Modell- Projekt. Außerdem müsse es ja nicht unbedingt sein, „daß eine Mannschaft – wie ich das kürzlich in einem Werbespot mit Dortmund gesehen habe – mit elf Gläsern Pils assoziiert wird“.
Aber auch die Aussicht auf sonnenverwöhnte Duschfreuden können nicht alle Sorgenwölkchen aus der Stirn des Übungsleiters vertreiben. Noch fehlt die vertragsverlängernde Unterschrift des Zauberers, der die Massen allein schon mit seinem Spiel elektrisiert. Noch plagen Finke und die Fans leichte Zweifel, ob auch im neuen Öko-Stadion weiter gesungen werden kann: „Die Sonne scheint bei Tag und Nacht, Rodooolfo Cardoso.“ Hilmar Hohn
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen