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Mein Rauch gehört mir

■ Eine große qualmende Koalition verhindert in der Bundesrepublik Anti-Raucher-Gesetze / Auch der neue Berliner Entwurf wird wohl scheitern

„Dieses Gesetz macht jeden Bewohner Berlins zum Erfüllungsgehilfen des Staates! Es diskriminiert, grenzt aus und kriminalisiert!“ Die Stimme der Gewerkschaftsvertreterin schnappte fast über vor Empörung über das „gefährliche“ Paragraphenwerk, das es da zu begutachten galt. Auf der Tagesordnung des Gesundheitsausschusses im Berliner Abgeordnetenhaus stand ein Gesetzentwurf, der die Medien der Hauptstadt schon seit Wochen echauffiert: das „Gesetz zum Schutz der Nichtrauchenden vor den gesundheitlichen Gefahren des Passivrauchens“.

Dieses Anti-Raucher-Gesetz, nach heftigen fraktionsinternen Disputen von den Grünen eingebracht, ist einer der wenigen Versuche in Deutschland, Zigarettenqualm aus Arbeitsplätzen, öffentlichen Gebäuden und Gaststätten zu verbannen. Doch was in den USA und in etlichen europäischen Ländern längst selbstverständlich ist, scheint in Deutschland ein ähnlich aussichtsloses Unterfangen wie das Tempolimit auf der Autobahn. Der giftige Qualm, egal ob aus rotgeschminkten kleinen Schloten oder scheppernden Auspuffrohren, wirkt als Emotionserreger der ganz besonderen Art. Auf magische Art verwischt er alle ökologischen Einsichten und politischen Koordinaten: Ost und West, links und rechts, oben und unten. Der Riß geht quer durch alle politischen Fraktionen der Republik.

Im vergangenen Jahr versuchte der CDU-Bundestagsabgeordnete Roland Sauer, die Risse zu kitten. Unterstützt von einigen KollegInnen aus anderen Parteien brachte er den ersten Gesetzentwurf in den Bundestag ein. Zum Schutz der Nichtraucher sollte das Rauchen in allen Innenräumen verboten sein, die „öffentlichkeitsorientiert oder als Arbeitsplatz genutzt werden“. Im Klartext: In Gaststätten, Behörden, Discos, Büros oder U-Bahnhöfen wäre das Qualmen nur noch in abgegrenzten Raucherzonen erlaubt. Obwohl recht gemäßigt, ging der fraktionsübergreifende Vorstoß sang- und klanglos unter – offiziell scheiterte er am Widerstand der Gaststättenlobby, inoffiziell wohl auch an der eigenen Nikotinsucht im Bonner Bundeshaus.

Im Herbst letzten Jahres scheiterte dann auch der zweite Vorstoß für den Nichtraucherschutz. In Bremen gab die Gesundheitssenatorin auf, noch bevor ihr Gesetzentwurf überhaupt in die parlamentarischen Gremien eingebracht wurde. Vor allem die Bremer SPD hatte signalisiert, daß sie einem „Anti-Raucher-Gesetz“ nicht zustimmen würde. Eine Absage, die nicht von ungefähr kam: Die Zigarettenindustrie, in der Hansestadt durch den Tabakkonzern „Brinkmann“ und die Mehrheitsbeteiligung von „Philip Morris“ am wichtigen Arbeitgeber „Jacobs Suchard“ vertreten, hatte Druck auf die Bremer Stadtoberen gemacht.

In Berlin starten die Grünen jetzt den dritten Versuch – bewußt garniert mit einer Provokation: Außer in öffentlichen Räumen, an Arbeitsplätzen und in Gaststätten mit über 50 Sitzen, soll das Rauchen auch in Privatwohnungen verboten sein, sofern dort Kinder, ärztlich nachgewiesen, durch das Passivrauchen bereits Schäden erlitten haben. Ein Aufschrei ging durch die Medien und die Abgeordnetenreihen. „Verkapptes Raucherverfolgungsgesetz“, Freibrief für „Schnüffler und Denunzianten“, „Eingriff in die Privatsphäre“, wetterten die Abgeordneten von CDU und SPD. Und auch stramm grüne Feministinnen, die gerade erfolgreich für die Aufhebung der Privatsphäre gekämpft hatten, als es um Vergewaltigung in der Ehe ging, witterten den Staatsanwalt am Schlüsselloch. Der provokative Passus hat dem Berliner Gesetz zumindest eines verschafft: eine größtmögliche Öffentlichkeit. Sehr viel mehr wird es auch kaum erreichen. Eine Mehrheit nämlich, so zeichnete sich vergangenen Donnerstag im Berliner Abgeordnetenhaus ab, wird das Gesetz kaum finden. Die Dame von der Gewerkschaft kann aufatmen, allerdings nicht allzu tief, denn die Wissenschaft warnt: „Atmen schadet der Gesundheit. Eine Stunde passiv zugequalmt zu werden entspricht einer Zigarette aktiv geraucht.“ Vera Gaserow

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