■ Glückauf, der Versteigerer kommt: Wunder- bzw. Plastiktüten
Düsseldorf (taz) – Eine Kaffeetasse, ein Unterhemd, ein Plüschhund, ein Stirnband und ein „Stan & Ollie“-Video – alles zusammen in einer knallroten Kunststoffkiste für nur 8 Mark 50. Ein Zehnerpack Klopapier, eine Pelzmütze sowie ein Bademantel: macht 16 Mark. Ein Taschenspiegel, eine Buddel Schnaps (Marke Killepitsch), eine Dose Würstchen zuzüglich zweier Kinderschirme: 22 Mark. Unglaublich? Sagenhaft? Wo winken solch aparte und günstige Angebote? Nur bei der Fundsachenversteigerung. Alles, was in Bussen, Untergrund- und Straßenbahnen liegengeblieben ist und vergessen wurde, kommt in meiner Stadt regelmäßig unter den Hammer.
Ein echter Event, wie man so sagt, ist das, aber nur für sehr, sehr Eingeweihte. Die sind meist eher fortgeschrittenen Alters und füllen den Saal der Traditionsgaststätte schon vor der anberaumten Stunde bis zum Bersten. Der Billardtisch ist an die hintere Wand gerückt, wo künstlicher Efeu an dekorativen Dreschflegeln emporrankt, dort thront der Auktionator, umgeben von tausendundeiner Wunder- bzw. Plastiktüte. Kurze Einschärfung der Spielregeln (Barzahlung, keine Reklamation), dann geht es los. Ein Paar geblümte Damenpantoffeln, eine bräunliche Bluse XL und ein Gürtel: 1 Mark, 1,20, 1,40, 1,60, der Finger des Meisters hüpft hin und her, 1,80, 2 Mark, „hier hinten bietet auch jemand!“ ruft es aus dem Gedränge an der Tür; für 4,80 schließlich geht die Kollektion weg. Ein zartes Negligé – der Auktionator vertüddelt sich zur allgemeinen Erheiterung an den Trägern –, rote Handschuhe, eine Weihnachtstischdecke (Dezember-Spätlese!) und ein BH: Erbittertes Bieten und Überbieten bis 15 Mark.
Auf den Stehplätzen droht inzwischen ein Tumult. Ein Nachzügler versucht sich partout nach vorn zu schieben und löst eine unheilvolle Kettenreaktion aus. „Liegt Ihre Hand gut auf meinem Hintern?“ giftet jemand. Eine Zeichenplatte und ein Küchenmesser- Set kommen ins Angebot. Offenbar die Wunschkombination für Mutter und Tochter hinter mir. Sie fechten ihre Sache souverän durch. Ware, Geld und Wechselgeld werden solidarisch durch die Menge gereicht.
Ein schwarzes Spannbettuch plus Tote-Hosen-LP plus zwei Kinderschirme noch, dann ist die Ablösung des Entertainers fällig. Unter seinem Kollegen flacht die Show etwas ab. Das Angebot wird eintönig: Brillen, Unmengen von Brillen. Meist in der Standardkombination zwei Brillen und ein Schirm offeriert. Dioptrien sind kein Thema. „Ziemlich stark, echter Glasbaustein“, sagt der Meister nur beim Durchgucken oder: „Hier eine schöne bunte.“ Das genügt dem Publikum völlig. Für 6,60 Mark ist die Dame neben mir gerade glückliche Besitzerin eines Knirpses und zweier formschöner Brillen geworden und macht gleich einen Sehtest. Angestrengt starrt sie erst auf ihr Optikerrezept, dann in Richtung der verblichenen Schützenvereinsfahne drüben an der Wand.
Auf die Brillen folgen Schmuck und Armbanduhren. „Sie tickt!“ meint der Auktionator hin und wieder triumphierend. Einmal fällt so ein Exemplar der Helferin beim Vorzeigen zu Boden. Macht nichts! Der Preis klettert trotzdem noch auf 9,50 Mark – für drei Stück. Wegen akuten Sauerstoffmangels und irgendwie deprimiert vom Anblick des Kubikmeters Schirme, die noch der Erlösung harren, suche ich vorzeitig das Weite. Alles – ob Kekse oder Schlittschuhe, Tina Turner oder Faltenrock –, alles fand hier Abnehmer. Nur eine Trompete nicht, strahlend und nagelneu. Ich hätte sie vielleicht doch nehmen sollen. Ob sie beim nächsten Mal wieder dabei ist? Olaf Cless
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