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Nachschlag

■ Klappmetamorphosen und anderes: Das Puppentheater- Museum residiert jetzt in Neukölln

Mitten im nicht gerade kulturverwöhnten Neukölln wird trotz Finanzlochs ein neues Museum eröffnet: Im Hinterhof eines der ältesten Häuser der Gegend mit Remise und überdachtem Eingang begrüßt Pulcinella, die lustige Figur der Commedia dell'arte, den Besucher. Hereinspaziert! Im würfelförmigen Ex-Bildhaueratelier glotzt so mancherlei Holzkopf aus der Vitrine. Einen Überblick über die Vielfalt des Figurentheaters will die Ausstellung geben. Kein explizit geschichtlich orientierter Rundgang von den Anfängen bis zur Barbie, sondern buntes Allerlei aus vielen Jahrzehnten, das belebt wird durch die anekdotenreiche Führung des Museumsleiters Nikolaus Hein. Täglich gibt es drei bis vier Führungen. Hein sammelt seit 25 Jahren, vom Plakat bis zur chinesischen Tragbalkenbühne des 19. Jahrhunderts, alles rund um die Puppe. Ein echter Enthusiast. Nach neun Jahren Wanderschaft hat er jetzt ein festes Haus für seine Sammlung – das vierte seiner Art in Deutschland. Es ist ein privates Museum, das Kunstamt Neukölln bezuschußt nur die Miete. Mit Freilichtaufführungen („Faust“ bei Kerzenschein in dem alten Wagenschuppen etwa) und Puppenbau-Workshops will Hein das Haus auch für Erwachsene interessant machen. Alle 15 Monate wird ein neuer Schatz aus dem Heinschen Fundus gehoben und als themenbezogene Ausstellung gezeigt werden. Derzeit sind im Erdgeschoß Handpuppen aus vielen Jahrzehnten und Raritäten wie Klappmetamorphosen von 1900 zu sehen: Eine Magd wird zum Klapperstorch, der Trinker zum davonfliegenden Schwein. Auf der Galerie finden sich Stab- und Stockpuppen sowie aus Büffelleder gefertigte farbige Schattenfiguren und weißgesichtige chinesische Porzellankrieger. Das jüngste Exponat ist eine mobile Skulptur von Ben Vornholt aus den Siebzigern, die stark an Oskar Schlemmers Triadisches Ballett erinnert. Ein skelettierter Drähtling tritt eine Fahrradmaschine.

Ausgestellte Puppen, Theater- oder Filmmuseen – was könnte musealer sein? Figuren leben von der führenden Hand und der geliehenen Stimme, sie schlaff am Faden hängen zu sehen stimmt traurig. Eine dokumentarische Ansammlung in sich zusammenfallender Stoffhäuflein mit leidendem oder langnasigem, mit zahnlosem oder glotzäugigem Obendrauf aus Holz, Gips oder Ton. Unbedingt sollte man also Museums- und Aufführungsbesuch miteinander verbinden, um Kinder von allzu langem Naseplattdrücken und Zuhörenmüssen zu verschonen. Die museumbesuchenden Erwachsenen rekrutieren sich wohl meist aus der gesellschaftlichen Teilmenge: Eltern. Sie außerhalb dieses Kontextes für das Figurenmuseum zu interessieren wird wünschenswert, aber schwer sein. Kirsten Longin

Puppentheater-Museum, Mo.–Fr. 9–13, 15–17 Uhr, Sa./So. 11–17 Uhr, Karl-Marx-Straße 135, Neukölln

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