: „Abschied von Buchenwald“
■ Zum 50. Jahrestag der Befreiung gedachten ehemalige Häftlinge und ihre Befreier der Opfer
Weimar (taz) – Sie waren von einem „offenen, demokratischen und europäischen Geist geprägt“, die zweitägigen Gedenkfeiern zum 50. Jahrestag der Befreiung von Buchenwald. So lautete gestern das Resümee des prominentesten Buchenwald-Überlebenden, Jorge Semprun. Immerhin, so Semprun, habe Ministerpräsident Bernhard Vogel einen Ausländer wie ihn – „einen Rotspanier dazu“ – zu der zentralen Gedenkfeier eingeladen. Im Nationaltheater Weimar, wo am selben Abend ein israelischer Regisseur Shakespeares „Kaufmann von Venedig“ mit SS- Offizieren in einem KZ spielen ließ, forderte der Schriftsteller eine „kritische Reflexion der Vergangenheit“. Lange genug sei der antifaschistische Widerstand der kommunistischen Häftlinge in Buchenwald von der DDR instrumentalisiert worden. „Die Stunde ist gekommen, Schluß zu machen mit Rhetorik und Mythologien eines pseudouniversalistischen Parteigeistes, der sich als Weltgeist verkleidet.“ In diesem Zusammenhang erwähnte Semprun auch die gerade für DDR-Bürger schmerzliche Einsicht, daß die kommunistische Häftlingsselbstverwaltung des KZ Buchenwald mit der SS zusammengearbeitet habe.
1.500 ehemalige Häftlinge und etwa 50 amerikanische Kriegsveteranen, die Buchenwald befreit hatten, waren am Wochenende ins ehemalige Konzentrationslager gekommen, um sich, wie Gedenkstättenleiter Volkhard Knigge sagte, „von diesem Ort zu verabschieden“. Auf dem Appellplatz des ehemaligen Konzentrationslagers gedachten gestern nachmittag insgesamt rund zehntausend Menschen der Opfer der Nazi-Herrschaft. „Buchenwald war ein böser, sadistischer Platz“, sagte einer der Befreier, der frühere US- General Thomas Crawford. Er sei von Trauer überwältigt worden, als er vor 50 Jahren die Opfer der NS-Verbrechen gesehen habe.
Bereits am Samstag wurde auf dem Gelände der Gedenkstätte Buchenwald ein Denkmal für die ermordeten Sinti und Roma eingeweiht – ein für deutsche Verhältnisse sensationeller Vorgang, denn es ist das erste Denkmal dieser Art auf dem Boden einer deutschen Gedenkstätte. Das Denkmal des Stuttgarter Bildhauers Daniel Plaas besteht aus dunklen Basaltstelen, in die die Namen von 18 Konzentrations- und Vernichtungslagern eingraviert sind. Die Erinnerungskunst des Bildhauers Daniel Plaas erlaubt keine Distanz, sie hebt sich schlicht ab vom monumentalen Buchenwald-Turm. Die Gedenksteine erkennt man nur, wenn man ganz nah herantritt.
Bemerkenswert ist auch die am Wochenende eröffnete neue Dauerausstellung in Buchenwald. In ihr werden nun auch die Schicksale all der Opfergruppen dokumentiert, die in der DDR-Geschichtsschreibung systematisch ausgegrenzt worden waren.
In Berlin und dem ehemaligen Konzentrationslager Flossenbürg erinnerte die evangelische Kirche gestern an den Berliner Pfarrer und Widerstandskämpfer Dietrich Bonhoeffer. Der Theologe war vor 50 Jahren im Konzentrationslager Flossenbürg hingerichtet worden.
Mit einer Feierstunde wurde gestern auch der Hitler-Attentäter Johann Georg Elser in seinem Heimatort Königsbronn gewürdigt. Elser wurde vor genau 50 Jahren im Konzentrationslager Dachau ermordet. „Ich wollte ja durch meine Tat noch größeres Blutvergießen verhindern“, sagte er damals. Dieses Zitat wird nun auf einer Gedenktafel verewigt.
Thorsten Schmitz Tagesthema Seite 3
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