Sanssouci: Vorschlag
■ Kunsthistoriker Hans Belting liest in der Humboldt-Uni
Auf der Tagung über das „Marco-Polo-Syndrom“ vor zwei Wochen im Haus der Kulturen der Welt hat er sich wieder einmal nur bedingt Freunde gemacht. Störrisch und pedantisch, wie es sich für einen Kunsthistoriker ziemt, wollte Hans Belting an der Autonomie moderner Kunst festhalten; wollte im Streitgespräch mit dem Kubaner Gerardo Mosquera, seines Zeichens künstlerischer Leiter dreier Havanna-Biennalen, nicht akzeptieren, daß Nord und Süd hochkulturell aneinander Gefallen finden könnten. Es erzeuge vor allem Mißverständnisse, so Belting, wenn man die ins Museum geschütteten Steine konzeptueller Spurensucher vom Schlage eines Richard Long etwa mit den magischen Zeichen australischer Ureinwohner in einem Topf zur Weltkunst verrühre. Im Gegentum: Nichts könne nach dem Scheitern der Moderne noch zusammenwachsen.
Belting hat schwer zu kämpfen. Er ist zu gleichen Teilen von multikulturell-korrekten Strategen und konservativen Historikern umzingelt. Denen sind seine Thesen zum „Ende der Kunstgeschichte“, mit denen er Anfang der achtziger Jahre in München seine Antrittsvorlesung unterfütterte, allesamt zu luftig und zu endzeitlich orientiert. Deshalb hat Belting allein schon aus Sorgfaltspflicht seine Kunstgeschichte revidiert: Vor einigen Wochen ist von ihm ein zweites Buch im Verlag C.H. Beck zum Thema erschienen. Seine erweiterte Bestandsaufnahme nimmt sich allerdings noch pessimistischer aus. Kunst sei auf dem besten Wege, im Computer elendig zu verenden; Museumsausstellungen hätten mehr den Charakter von touristischen Spektakeln. Und überhaupt – die Moderne wird modern, wie Wolfgang Welsch ihr in den Nachruf schrieb. Statt dessen liebäugelt auch Belting jetzt mit dem sozialen Terrain, von dem aus der Betrachter die Arena der alten Meister betritt, um sich hier und dort stückchenweise Bilder aus der Lebenswelt zusammenzuklauben.
Und die Künstler reagieren: „Schon längst macht sich auch ein allgemeiner Wunsch nach Kreativität breit, der den Künstlern nicht mehr das Monopol des Selbstausdrucks überlassen will, während diese wiederum darangehen, ,Künstlermuseen‘ in eigener Regie zu übernehmen und sich vom Markt zu befreien... Deshalb bahnt sich auch in den westlichen Demokratien der Trend zu einer nichtoffiziellen Kultur ganz unterschiedlichen Zuschnitts an, in welcher der herkömmliche Kunstwert ebenso ungewiß (oder unwichtig) ist wie der Informationswert einer offiziellen Kunstgeschichte.“ Ganz will sich Belting dann doch nicht mitsamt seiner Zunft abschaffen. Im Schlußkapitel begeistert er sich für filmisch konzipierte Ausstellungen, wie sie ein Peter Greenaway mit „Watching Water“ in Venedig zur letzten Biennale kuratiert hat. Damit sei auch der letzte Rahmen althergebrachter Referenzen gefallen, und der Betrachter könne nun selbst das Leben in die Bilder hineintragen. Das Bild ist sicherlich sehr schön, es fragt sich nur, ob Greenaway es auch so gemeint hat. Harald Fricke
Hans Belting liest und diskutiert mit Kollegen, 19.30 Uhr, Raum 3075 der Humboldt-Universität, Unter den Linden 6, Mitte.
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