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Gemeinsam da durch

Kroatische Erfolge gelten in Bosnien als Erleichterung, aber Mißtrauen gegenüber Zagreb bleibt  ■ Aus Tuzla Erich Rathfelder

Ein bißchen Freude ist den meisten Menschen in Tuzla anzumerken. Die Nachricht von der Rückeroberung der bisher von Serben kontrollierten Region um Okucani durch kroatische Soldaten hat die Menschen elektrisiert. Vor den Fernsehern in den neueröffneten Restaurants der Innenstadt haben sich Trauben gebildet, um ja nicht die letzten Nachrichten über die Entwicklung in Kroatien zu verpassen. Angesichts der gefährlichen Lage, in der sich Tuzla befindet, wird der Umstand, daß den Kroaten ein Sieg gelungen ist, als Erleichteurung angesehen. Daran ändern auch die Berichte von Raketenangriffen auf die kroatische Hauptstadt Zagreb wenig.

„Die Kräfte der Tschetniks aufzuspalten, war schon immer unsere Stategie, doch der kroatische Präsident Tudjman hatte dies mit seiner Politik eher behindert als gefördert“, erklärt der Sprecher der bosnischen Armee in Tuzla, Ekrem Avdić. Das Doppelspiel des kroatischen Präsidenten, einerseits im Geheimen mit Belgrad über die Aufteilung Bosnien-Herzegowinas zu verhandeln und andererseits offen die Föderation der Kroaten mit den Muslimen in Bosnien zu untersützten, habe jetzt vermutlich ein Ende gefunden. „Mit dem Krieg in Kroatien wird die bosnisch-kroatische Zusammenarbeit gestärkt. Wir müssen jetzt gemeinsam da durch“, erklärt Avdić. Allerdings sei auf Tudjman „nie so richtig Verlaß“. Es sei nicht auszuschließen, „daß er weiterhin mit Milošević verhandelt.“

Aus dieser Unsicherheit gegenüber der kroatischen Politik bleiben Politiker und Militärs in Tuzla mißtrauisch. Und auch in der Bevölkerung ist die Stimmung gemischt. Eine aus Banjaluka vertriebene Frau warnt davor, den Sieg der Kroaten überzubewerten: „Die serbischen und kroatischen Nationalisten sprechen die gleiche Sprache. Zum Schluß werden sie sich wieder gemeinsam gegen Bosnien stellen.“

Doch dafür gibt es zur Zeit keine konkreten Anzeichen. „Die Gefahr liegt eher darin, daß die Serben jetzt hier für ihre Niederlage in Kroatien Rache nehmen“, erklärt ein bosnischer Offizier. Schon jetzt sei die Situaiton gefährlich geworden. Zwar sei die bosnische Armee vor vier Wochen in der Region des Majevica-Gebirges in die Offensive gegangen. „Dann kam aber der Rückschlag.“ Im Gegenzug beschossen die Serben Tuzla mit Granaten. Und angesichts des Aufmarsches starker serbischer Truppenverbände in der Region sei der Druck auf die bosnischen Truppen angewachsen.

„Nach drei Jahren ständigen Kampfes sind unsere Truppen einfach müde geworden“, erklärt eine Verkäuferin, deren Mann an der Front kämpfen muß. Militärsprecher Avdić beharrt dagegen darauf, daß es den Tschetniks nicht gelingen wird, die Verteidigungslinien der bosnischen Armee zu durchbrechen. Mit ständigen Artillerieangriffen auf bosnische Positionen versuchten die bosnischen Serben weiter auf Tuzla vorzustoßen, erklärt er. An eine Offensive der bosnischen Armee auf dem serbischen Korridor bei Brcko, der die serbisch eroberten Gebiete in Kroatien und Nordbosnien mit Serbien verbindet, sei unter diesen Umständen nicht mehr zu denken. „Wir haben genug mit der Verteidigung unserer Positionen zu tun.“ Eine erneute Offensive der Bosnier könnte es nur geben, wenn die Kroaten versuchen, von ihrer Seite die bosnischen Serben anzugreifen.

Damit rechnet in Tuzla jedoch niemand ernsthaft. Weder im Militär noch bei den zivilen Autoritäten wird zur Zeit darauf gehofft. Die serbische Seite sei in Kroatien gezwungen worden, die eigenen Kräfte aufzuspalten. Und da es den Serben zwar nicht an Material, wohl aber an Menschen fehle schlage dieser Umstand immerhin positiv für die Bosnier zu Buche, meint ein bosnischer Offizier. Da die Kämpfe in anderen bosnischen Regionen zunehmen, werde es den Tschetniks schwerlich gelingen, ihre Großoffensive im Gebiet um Tuzla aufzurechtzuerhalten.

Ob solche Hoffnungen gerechtfertigt sind, bleibt fraglich. Denn für die serbische Seite ist die Tuzla- Region von ausschlaggebender Bedeutung. Den an einer Stelle nur fünf Kilometer breiten Korridor zu verbreitern und abzusichern, ist für sie gerade bei einer Neuauflage des Krieges in Kroatien eine strategische Notwendigkeit. Daß vor wenigen Tagen 50 Panzer und gepanzerte Fahrzeuge von Serbien die Drina überschritten, um in die Kämpfe einzugreifen, ist dafür ein deutlicher Beleg. Und auch der Aufruf des Serbenführers Radovan Karadžić vor wenigen Wochen, Tuzla so bald wie möglich zu erobern, weist in diese Richtung.

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