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Suche nach versprengten Tschetniks

Die Serben in den von Kroatien zurückeroberten Orten Westslawoniens sind verunsichert / Lokale serbische Politiker und kroatische Polizei versuchen, Ängste abzubauen  ■ Aus Pakrac Erich Rathfelder

Bisher hat sich die Lage in den von der kroatischen Armee Anfang Mai zurückeroberten Gebieten in Westslawonien noch nicht vollständig beruhigt. Die serbische Bevölkerung klagt über vereinzelte Übergriffe durch kroatische Soldaten, bescheinigt jedoch der kroatischen Polizei korrektes Verhalten. Angesichts der vorherrschenden Unsicherheit überlegen viele Familien, die Region zu verlassen. Der einflußreiche serbische Lokalpolitiker Veljko Dzakula fordert hingegen alle Serben zum Bleiben auf.

Etwa 200 bis 300 serbische Freischärler halten sich noch in den Wäldern östlich der Autobahn Zagreb–Belgrad versteckt. Es handelt sich dabei um Mitglieder der berüchtigten 1. Drina-Brigade unter dem Tschetnik-Kommandeur Boro Dropović sowie einer Tschetnik-Brigade unter Führung von Vlado Katević. Beide Einheiten operierten schon vor der kroatischen Militäraktion Anfang des Monats unabhängig vom Oberkommando des 18. Armeekorps der Krajina-Serben. Nach Informationen aus kroatischen Militärquellen haben diese Truppen gegen den Kurs der lokalen serbischen Politiker opponiert, die offensichtlich versucht haben, einen Weg für eine friedliche Reintegration dieses Gebietes in den kroatischen Staat zu finden.

Eine Schlüsselfigur ist dabei der 40jährige Politiker Veljko Dzakula. Als Mitglied der Serbischen Demokratischen Partei (SDS) hatte Dzakula schon im März 1993 ein geheimes Abkommen mit der kroatischen Regierung geschlossen, das u.a. die Einstellung militärischer Aktivitäten und die Normalisierung von Wirtschaftsbeziehungen beinhaltet hatte. Aufgrund einer Indiskretion der kroatischen Führung gegenüber der Öffentlichkeit wurde Dzakula von den Hardlinern der Krajina-Serben in Knin verhaftet. Im Gefängnis „als Verräter“ geschlagen und bedroht, zog sich der Politiker nach seiner Entlassung im Sommer 1993 nach Westslawonien zurück.

Mit der Öffnung der Autobahn deutete sich schon im Januar eine Entspannung der Lage in Westslawonien an. Der als Vertrauter des serbischen Präsidenten Slobodan Milošević geltende Dzakula war an weitergehenden Verhandlungen beteiligt. Es ist nicht auszuschließen, daß die Gespräche schon weit gediehen waren. Daß die kroatische Seite in der Lage war, schon einen Tag nach der Eroberung des Gebietes an den öffentlichen Gebäuden die entsprechenden Tafeln anzubringen, deutet auf eine vorausgehende Planung hin.

Als das kroatische Militär am 1. Mai die Autobahn sicherte und nach Jasenovac einrückte, kam es zu einer Spaltung im serbischen Militär. Die Mehrheit des 18. Korps war bereit, unter Zurücklassung der schweren Waffen ins serbisch-bosnische Gebiet abzuziehen. Mit dem Widerstand der oben genannten Tschetnik-Truppen jedoch wurde die Lage verkompliziert. Dazu beigetragen haben soll nach Aussagen von kroatischer und serbischer Seite der Vorschlag aus dem Büro des UNO-Sondergesandten Yasushi Akashi vom 1. Mai, eine UNO-Sicherheitszone für die serbischen Truppen östlich der Autobahn bei Pakrac einzurichten. Daraufhin hätten sich auch Truppenteile des 18. Korps geweigert, ihre schweren Waffen zurückzugeben, und Zagreb wurde erstmals mit Raketen beschossen.

Die am 2. Mai erfolgte Flucht dieser Soldaten mit Panzern und Artillerie habe unter der Bevölkerung der Stadt Okucani eine Panik und die Massenflucht ausgelöst. Diese wurde noch gesteigert, nachdem es der kroatischen Luftwaffe gelungen war, das Waffen- und Munitionslager unterhalb des Hauptquartiers des serbisch-krajinischen Militärs in Stara Gradiška, wo sich die Brücke über die Save nach Bosnien befindet, zur Explosion zu bringen. Während des kroatischen Beschusses der Straße nach Stara Gradiška kam es zu erheblichen Verlusten nicht nur unter dem serbisch-krajinischen Militär, sondern auch der fliehenden Bevölkerung. An dieser Stelle sollen bis zu 400 Menschen getötet worden sein.

Unterdessen durchkämmen kroatische Verbände die Region um die serbisch bewohnten Dörfer Brusnik, Kricke, Bucke und Sumetlica auf der Suche nach versprengten Tschetniks. Serbische Gerüchte, es sei zu Massakern in den genannten Dörfern gekommen, sind nach eigenem Augenschein und den Aussagen der argentinischen UNO-Soldaten vor Ort falsch. Allerdings ist nicht auszuschließen, daß nach dem Abzug der kroatischen Elitetruppen Soldaten nachrückender Einheiten einzelne serbische Familien eingeschüchtert haben. Die kroatische Polizei ist nach Aussagen des serbischen SDS-Politikers Nenad Djukić jedoch bemüht, die Sicherheit der Bewohner zu gewährleisten. Trotz der unsicheren Lage sind die meisten der ansässigen Serben bisher in der Region um Pakrac geblieben. Rund 300 nach 1991 hier einquartierte serbische Flüchtlinge aus Bosnien haben sich jedoch in die Listen der UNO-Hilfsorganisation UNHCR eingetragen, um nach Bosnien gebracht zu werden.

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