■ Mit ostdeutscher Jobchemie auf du und du: Beruhigungspillen
Berlin (taz/rtr) – Eine „Unterstützung aus vollem Herzen“ könne man das Geschäft schon nennen, sagte Elmar Deutsch, Vizepräsident des Dow-Chemie-Konzerns. „In gewisser Weise“ jedenfalls, fuhr er fort und versuchte dann, seinem Namen gerecht zu werden, indem er in deutscher Sprache die Worte „Industriestandort Deutschland“ buchstabierte.
Deutsch sprach am 6. April dieses Jahres über sein Engagement im ostdeutschen Chemiedreieck, das bekanntlich auch eine Herzensangelegenheit des deutschen Kanzlers ist. Teurer war Kohl nie. Die Treuhand- Nachfolgerin BVS brütet noch darüber, was sie denn der Europäischen Kommission vortragen soll. Denn die deutsche Tochter des amerikanischen Konzerns kauft vollkommen überflüssige Chemieanlagen in Buna, Schkopau und Böhlen, um vollkommen überflüssige Stoffe zu produzieren.
Unter Treuhandaufsicht hatte das Kombinat etwa eine Million Mark Defizit pro Tag eingefahren. Jetzt sollen runde vier Milliarden Mark an Investitionen fließen, mindestens drei davon aus der Staatskasse, teilten BVS und Dow mit. Der Betriebsrat verwies auf einen Verhandlungserfolg. 3.000 Arbeitsplätze seien gerettet worden, Dow wollte höchstens die Hälfte davon erhalten. Wie denn die Differenz finanziert werden soll, ist ein offenes Geheimnis. Zum Inhalt des Privatisierungsvertrages will die BVS nicht Stellung nehmen. Vertraulichkeit sei vereinbart worden.
Das Rätsel ist jedoch leicht zu lösen. Entschuldung und Freistellung von allen Sanierungskosten für die Grundstücke gehörten zum Privatisierungsstandard der Treuhandanstalt. Wie der BVS-Unterhändler Thoma, Rechtsanwalt in Düsseldorf, dem Spiegel verriet, hat die BVS im Fall Buna außerdem die Arbeitsmarktpolitik aus dem Hinterhalt betrieben, die schon in der Treuhand üblich war: Mit einer Zusage, fünf Jahre lang die Verluste zu übernehmen. Als Höchstgrenze sollen 2,7 Milliarden im Jahr festgelegt sein.
Starke Kopfrechner kommen auf rekordverdächtige Subventionen von 5 Mio. Mark pro Arbeitsplatz und Jahr. Unternehmerische Risiken muß Dow so keine tragen. Allerdings rechnet auch niemand damit, daß der Konzern mehr als eine durchschnittliche Verzinsung seines bescheidenen Einsatzes an eigenem Kapital erwirtschaftet. Die Verschwendung von Steuergeldern dient nur dazu, ostalgische PDS-Wähler ruhigzustellen. Niklaus Hablützel
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