piwik no script img

Vorschlag

■ The greatest boogie band ever? Royal Trux im Knaack Club

Ein Standard zwar, und doch nicht falsch: Drogen gehören zum Rock'n'Roll wie der Schaum zum Pils. Meist folgen sie auf kommerziellen Ruhm, dienen der Flucht vor Rummel und den ganz neuen falschen Welten. Bei Royal Trux war das etwas anderes, bei denen liefen Musikmachen und Junkie-Existenz von Anfang an parallel, bedingte das eine nicht das andere. Durch die sozialtherapeutische Brille betrachtet, bedeutete für das Pärchen Jennifer Herrema und Neil Hagerty, den spindeligen Protagonisten von Royal Trux, die Produktion von Sounds und Songs eher umgekehrt die Befreiung von der Sucht. Trotzdem sprach man im Zusammenhang mit Royal-Trux-Platten immer etwas hilflos von „Junk-Rock“, was einen superschweren Stoff aus der Abteilung weißer Trash bezeichnen sollte und auch nicht ganz daneben war: Wer beispielsweise die Neunziger Doppel-LP „Twin Infinitives“ kennt, ein Kanten von Album, fucked up, schwer verzerrt, halluzinativ und verquer bluesy angehaucht, kann dies unmittelbare Zuschreiben von Leben auf Musik uneingeschränkt nachvollziehen. Die Akzeptanz von Uneinnehmbarkeit, von Unnahbarkeit war Bedingung zum Verständnis dieser Band, und auch ihre Konzerte muteten an wie ein Diven in enggestecktesten Räumen, eine Gratisladung Klaustrophobie inklusive.

Bislang erfolgreich durchgeführte Entzüge ließen das Leben jedoch weitergehen und aufklären, selbst Antihelden wie Royal Trux fanden Interessenten bei Major-Companies. Sie unterzeichneten bei Virgin, und da die sie jetzt imagegemäß als kaputtesten Teil ihres Alternative-Segments vermarkten wollen, nehmen Royal Trux die kommerzielle Herausforderung zu hundert Prozent an: Sie öffnen sich nach außen, wollen unterhalten, ab sofort als greatest boogie band ever gelten und ihr neuestes Werk „Thank You“ als Boogie-Rock verstanden wissen. Unter boogie verstand man früher Gruppen wie alte ZZ Top, Canned Heat und Little Feat, alte Säcke, von deren Songs, soweit ich sie in Erinnerung habe, „Thank You“ meilenweit entfernt ist. Auch wenn ein paar locker-rhythmisierte Übersteiger mitanklingen, diese Stücke sind immer noch typical lost royal truxy, liegen, insbesondere auch wegen der reibeisengestählten Stimme von Jennifer Herrera, zumeist so arg daneben, daß die eingeforderten Business-Fallen für diese Bands kaum aufgestellt werden können. Was rein gar nichts macht, denn Legenden wollen, vor allem, wenn sie so negativ besetzt sind, zur Abwechslung auch mal zerstört werden, was Royal Trux für ihren Fall in jeder Hinsicht gut gelungen ist. Gerrit Bartels

Heute, 22 Uhr, Knaack Club, Greifswalder Straße 226, Prenzlauer Berg.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen