: Das gerinnt zu einem Lebensbild
■ Freda Heyden stellt die Wirklichkeit gegen das Holzach-Klischee des ZDF-Films "Zu Fuß und ohne Geld"
Freda Heyden, Jahrgang 1955, ist Künstlerin und lebt in Berlin. Vor zwölf Jahren verlor sie ihren langjährigen Freund Michael Holzach bei einem grotesken Unfall. Die nächsten acht Jahre verbrachte sie (mit dem Hund Feldmann) in einem Haus in der Lüneburger Heide, das sie ein Jahr mit Holzach bewohnt hatte. Das Paar hatte keine Kinder. Die Situation beim Tod ihres Partners ließ Freda Heyden, in bezug auf Holzachs Werk, nahezu ohne Rechte.
taz: Freda Heyden, Sie haben diesen Fernsehfilm „Zu Fuß und ohne Geld“ nicht verhindern können. Dabei greift er unmißverständlich auf Holzach als Figur, damit aber auch auf Ihre Lebenssituation um 1980 zurück.
Freda Heyden: Ich konnte, mit meinen Mitteln, nur sagen: Ich will unsere Namen geändert haben. Auch der Titel wurde geändert, statt Michaels Buch „Deutschland umsonst“ nun „Zu Fuß und ohne Geld“. Und der Film wird nun auf mein Betreiben nicht als Erzählung des Buches ausgegeben, sondern „frei nach...“. In der Presse allerdings wird das aufbereitet als „echter Fall“. Ich kann meine Rechte nur bedingt wahrnehmen, weil „ich“ nicht die zentrale Figur des Films bin. Vollkommen klischiert: Ich sitze da als reiche Graphikerin in Hamburg und will den Mann immer einfangen. Er zieht los, um dem zu entkommen. Im ersten Teil wird er eines Mordes verdächtigt.
Das ist dazuerfunden.
Der ganze Film ist erfunden. Allerdings gibt es schon in „Deutschland umsonst“ die Freundin Freda, die eine Strecke mitwandert, der er schreibt. Mit den ersten Sätzen des Buches verabschiedet er sich von mir, auf den letzten finde ich ihn in einer Telefonzelle wieder.
Das ist eine bestimmte Spur der Geschichtsschreibung. An Ihnen konnte er deutlich machen: Es geht hier nicht um irgendeinen Journalistenfake. Er hat Ihr gemeinsames Leben bis zu einem gewissen Grad auch in die Waagschale geworfen.
Ja. Aber die Bedingungen, auf der tatsächlichen Geschichte zu beharren, sind ungünstig für mich. Das Testament gibt sämtliche Tantiemen an „Brot für die Welt“. Über die Persönlichkeitsrechte müßte seine Mutter wachen. Ansonsten gibt es einen Verlag und einen Produzenten, die Geld verdienen wollen, und das ZDF natürlich auch. Meine Rolle ist seit Michaels Tod, daß ich ohne Geld versuche, sein Werk zu betreuen. Übersetzer haben sich mit mir unterhalten, Studenten, die über ihn ihre Examensarbeit geschrieben haben, Ausstellungen wurden gemacht: zum Beispiel „Schriftsteller als Fotograf“ im Essener Folkwang.
Ich denke, daß man dem Film nicht nur den Vorwurf machen muß, daß er die brutale Wirklichkeit der Geschichte ignoriert, sondern daß er mit der hintersinnigen Konstruktion, daß Ihr Leben und sein Tod mit Medien sehr viel zu tun hatte, überhaupt nicht umgeht. Das könnte das Fernsehen zeigen: Daß er am Beginn einer Geschichte, die das Fernsehen wollte, starb. Denn er ist ja gestorben, als er an die „echten“ Orte als „Locations“ zurückgekehrt ist.
Er hätte diesen Film von A bis Z begleitet. Er war nicht der Mensch, der sagte: Wunderbar, hier habe ich Hunderttausend, mein Buch wird verfilmt. Die Suche nach echten „Locations“ war genau der Anfang seiner begleitenden Arbeit.
Was die Geschichte seiner Wanderung wirklich verändert hat, ist sein Tod. Er wird in der Fernsehserie nicht beschrieben, aber als Reklamemittel massiv eingesetzt.
Damit ist die Fernsehserie noch weniger ein Ausschnitt aus einem Leben, sondern gerinnt zum Lebensbild. Hier wird den Leuten in den Kopf gesetzt: Das war Holzachs Leben. Ich würde mich nicht wundern, wenn ich einen Anruf bekomme und gefragt würde, was aus meinem zwölfjährigen Kind geworden ist.
Hat Sie Michael Holzach als der Gewissensmensch interessiert? Mochten Sie das an ihm?
Er war ja auch reich, indem er das lebte. Manchmal dachte ich, er problematisiere das zu stark. Als wenn jemand phantastisch kochen kann und man es ihm immer wieder bestätigen muß. Das war manchmal recht anstrengend. Wir waren damals in sehr verschiedenen Lebenssituationen. Ich kann heute seine Qual sehr viel besser nachvollziehen, weil ich mich in meinem Beruf nun seit zwölf Jahren auch quäle. Er hatte immer diese Kindheitsvorstellung. Er wollte von Berlin, wo er mal als Kind eine Zeit gewohnt hat, barfuß bis nach Holzminden laufen, in sein Internat. Das ist auch so typisch: Auf seiner Wanderung zieht er dann die Schuhe aus, um dieses Kindheitsgefühl wirklich als Erwachsener noch mal zu erleben. An dem Internat, wo er elf Jahre gewesen war, hat er dann zweimal auf seiner Wanderung Station gemacht. Deshalb ist er dort auch beerdigt worden. Wenn es für ihn ein Zuhause gab, dann doch das. Vielleicht hätte das Haus in der Heide es werden können.
Wie lang haben Sie dort zusammen gewohnt?
Ein Jahr, unser letztes. Alles viel zu kurz, um zu sagen, was daraus hätte werden können.
In den Pressefotos der Fernsehanstalt erscheint er als so ein Outdoor- und Abenteuer-Typ.
Ein bißchen kanadisch. Da habe ich mir vorgestellt: Was steckt in diesen sterilen Taschen? Mir ist eingefallen, wie Michael immer Dinge ansammelte ... auch sein Schreibtisch war voll davon.
Was sammelte er denn?
Was er fand, oder was Menschen ihm gegeben haben. Er hatte immer dieses Spiel dabei, das er geschenkt bekommen hatte bei einer Geschichte über Kinderspiele: Hölle, Erde. Oder eine Zwille. Kleine Bleistifte. Was mag in den Taschen von Atzorn (dem Holzach-Darsteller, d. Red.) sein: Ein Feuerzeug fürs Lagerfeuer. Ein Kleenextuch?
Wie kam es, daß Michael Holzach die Rechte an seinem Werk komplett „Brot für die Welt“ überlassen hat?
Er hat in relativ kurzer Zeit viel verdient und nicht viel Bezug zu Geld gehabt. Als er 35 war, wurde ich einmal sehr krank. Da hat er sich hingesetzt und ein Testament gemacht. Ich wollte das sowieso nicht haben. Man geht auch nicht im Ernst davon aus, daß man ein paar Wochen später tot ist.
Sie kannten das Testament?
Natürlich. Daran, wer die Person dann schützen würde, hat keiner gedacht.
Es hat eine gewisse Zeit einen starken, hoch investigativen Journalismus gegeben. Michael Holzach war in Deutschland dessen Exponent. Dieser Journalismus ist ja dem der Art-director gewichen: Partner-Psychologie, Sexthemen, gestellte Cover. Insofern hat Holzach etwas betrieben, was auf Dauer schwer durchsetzbar gewesen wäre.
Ich denke, daß sein Weg vielleicht ganz anders hätte verlaufen können. Sein Traum war, Fiktion zu schreiben. Interview: Ulf Erdmann Ziegler
Michael Holzachs Bücher: „Das vergessene Volk“; „Deutschland umsonst“; „Ich heiße Feldmann und bin ein Hund (Illustrationen: Freda Heyden)“, alle Hoffmann & Campe; Zeitberichte (Weismann- Verlag)
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