■ Ökolumne: Beten fürs Klima Von Gero Lücking
Die Kohlendioxid-Bilanz der Evangelischen Kirche ist nicht gerade himmlisch. Rund fünf Millionen Tonnen des Klimakillers werden durch den Energieverbrauch der rund 87.000 landeskirchlichen und diakonischen Einrichtungen in den Himmel geblasen und heizen das Klima höllisch auf. Ebensoviel wird in ganz Bolivien jährlich emittiert. Mehr als eine Milliarde Liter Heizöl und 2.000 Gigawattstunden Strom verbrauchen die Christen, damit es warm und hell beim Beten ist. Das ist ein Ergebnis eines Gutachtens, das das Öko-Institut und das Büro Ebök (Energieberatung und Ökologische Konzepte, Tübingen) im Auftrag der Evangelischen Akademien in Deutschland erstellt haben. Es wird heute auf dem Kirchentag in Hamburg vorgestellt.
Doch wie soll der Energieverbrauch gesenkt werden, wenn kirchliche Gemäuer denkmalgeschützt sind, die Krypta im Keller keinen Platz für den Brennwertkessel läßt und auf spitzen Kirchtürmen Glocken statt Solaranlage installiert werden müssen? Was schwierig erscheint, ist in der Praxis wesentlicher einfacher. Der größte Teil der Energie wird in Pfarr- und Gemeindehäusern, Kindergärten und Verwaltungsbauten verbraucht. Hinzu kommen diakonische Einrichtungen wie Krankenhäuser, Heime und Tagesstätten. Bei diesen Gebäuden können dieselben Einspartechniken angewendet werden wie in weltlichen Bauten, und sie kosten auch nicht mehr als dort. Der Energieverbrauch der Heizung könnte halbiert, der Stromverbrauch um ein Drittel gesenkt werden. Allein die Angst vor dem Jüngsten Gericht gebietet schon die Nutzung dieser Potentiale. Und rechnen würde sich das alles auch, wenn die weltlichen Kriterien von Kapitalwert, Annuität und kurzen Amortisationszeiträumen zugrundegelegt werden.
Die Kräfte des Heiligen Geistes werden in der Bremischen Landeskirche schon bald direkt elektrischen Strom erzeugen. Sechs Windräder sollen errichtet werden, die den gesamten Strombedarf dieser Landeskirche decken können, ohne daß der Pfarrer Gott für die ökologischen Folgen um Vergebung bitten muß. Positive Einzelbeispiele gibt es in der Evangelischen Kirche zuhauf, aber von einer strategischen Erschließung ihrer Potentiale ist die Kirche so weit entfernt wie die Erde vom Paradies.
Dabei müßte der Klingelbeutel im Gottesdienst gar nicht zweimal herumgereicht werden. Helfen könnten auch die kircheneigenen Banken. Doch die Banker in Talar leihen kaum Geld zum Bauen und Bewahren an. Gebaut wird viel, bewahrt wird nur auf Druck engagierter Gemeindemitglieder. Priorität hat die Mehrung der göttlichen Reserven und die Verwaltung der Sparguthaben der Angestellten. So unterbleiben bei Sanierungen oft Investitionen in Wärmedämmung. Würde Energiespar aber konsequent an die Sanierungszyklen der Gebäude gekoppelt, halbierten sich nicht nur die Treibhausgas-Emissionen. Die klerikalen Schatzmeister hörten es klingeln in den Kassen und könnten Hosianna singen. Derzeit flattern jährlich Energierechnungen in Höhe von einer Milliarde Mark in die kirchlichen Gemäuer.
Zwar sind in allen 24 Landeskirchen für die Pfarrhäuser sogenannte Pfarrhaus-Richtlinien erlassen, aber nur, damit der Pastor nicht aus einem goldenen Tempel heraus seine Schäfchen beisammen hält. Energetische Standards sucht man in diesen Auswürfen kirchlicher Bürokratie vergebens. Der Höchstpreis der Tapeten und die Anzahl der Steckdosen ist genau festgelegt. Der Stromverbrauch kann so wohl nicht reduziert werden, denn der Dreierstecker ist auch bei Pfarrern bekannt. Die elektrische Zusatzheizung (Sünde!) kann also ohne Probleme eingestöpselt werden, wenn es durch die Fenster zieht.
Trotz der heterogenen Organisation der Landeskirchen ließe sich aber auch bundesweit ein kirchliches Klimaschutzprogramm initiieren. Informations- und Weiterbildungskampagnen müßten gestartet, strukturelle Verbesserungen und Finanzierungsprogramme aufgelegt, energetische Standards vorgeschrieben und ein Klimaschutz-Marketing betrieben werden. Der Kirche stände es gut an, etwas für Gottes Reich auf Erden zu tun. Beten schadet gewiß nicht, aber handeln bringt mehr.
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