Kolumbianischer Drogenboß stellt sich freiwillig

■ „El Papi“, einer der führenden Mitglieder des Cali-Kartells, sitzt hinter Gittern

Bogota (taz) – Hochzufrieden präsentierte die kolumbianische Regierung am Samstag einen neuen Erfolg im Kampf gegen die Drogenbosse: Am frühen Morgen hatte sich einer der führenden Köpfe des kolumbianischen Kokaingeschäftes zum 13. Bataillon der Militärpolizei begeben und erklärt, er stelle sich freiwillig. Victor Julio Patinio Fomeque soll im Cali- Kartell, das heute bis zu achtzig Prozent des Kokaingeschäfts in Kolumbien und nach nordamerikanischen Schätzungen 70 Prozent des Kokaingeschäftes in den USA und Europa kontrolliert, für die Rekrutierung von Auftragskillern zuständig gewesen sein.

Der ehemalige Polizist gilt als die Nummer fünf in der Hierarchie der siebenköpfigen Spitze des Kokainkonzerns, der seine Zentrale in der kolumbianischen Stadt Cali hat. Der für die Bekämpfung des Drogenhandels zuständige Verteidigungsminister Fernando Botero pries die Festnahme Fomeques als großen Erfolg seiner Anti-Narco- Spezialeinheit und der konsequenten Politik von Staatspräsident Ernesto Samper.

Noch ist die Nummer eins des Cali-Kartells, Miguel Rodriguez Orejuelo, auf freiem Fuß. Sein älterer Bruder Gilberto ist erst vor knapp zwei Wochen nach einer monatelangen Jagd gefangen worden – damals gingen die Bilder von dem aus seinem Schrankversteck hervorstarrenden und derangierten Drogenhändler um die Welt. Ein solch unwürdiges Schauspiel wollte sich der „El Papi“ genannte Fomeque offenkundig ersparen. Als ihn die Behörden am Samstag im Fernsehen der kolumbianischen Öffentlichkeit präsentierten, erschien er – in Handschellen zwar, doch höchst gepflegt im Jacket, mit Krawatte und präzise gestutztem Bart – ganz als seriöser Geschäftsmann. Eigentlich wollte sich Fomeque bereits einen Tag früher in die Hände der Armeepolizei begeben, und so sei es auch mit dem Verteidigungsminister abgesprochen gewesen, berichtete das kolumbianische Fernsehen. Das klappte nicht – weil die Armee ihre Sicherheitsvorkehrungen in der Stadt Cali zum Schutz für ein großes Sportfest so sehr verschärft hatte, daß sich der Drogenboß nicht aus dem Haus traute. Welche Absprachen Fomeque mit den Behörden getroffen hat, bevor er sich stellte, blieb zunächst im Dunkeln. Da aber allen Drogenhändlern, die sich kooperativ zeigen, beachtliche Strafminderungen versprochen worden sind, ist kaum anzunehmen, daß Fomeque seinen Lebensabend hinter Gittern verbringen wird.

Zudem glauben Kenner der kolumbianischen Drogenszene nicht, daß die Kokainproduktion und der Handel mit dem Stoff durch die Verhaftung der Cali-Bosse ernsthaft eingeschränkt werden kann. Anders als das rivalisierende Medellin-Kartell, deren Chef Pablo Esquobar im vergangenen Jahr erschossen wurde, besteht das Cali- Kartell offenbar aus zahlreichen, weitgehend unabhängig voneinander operierenden Gruppierungen, die im Bedarfsfall zusammenarbeiten. So wären auch führende Mitglieder des Kartells leichter zu ersetzen. Jutta Lietsch