: Sex ist grauenhaft und böse
■ Feministische Latzhosenfront besetzt Berliner „Spiegel“-Büro
„Nie wieder Sex“, „Lesbischer Kuschelsex für alle Lesbenfrauen“ und „Sex ist böse“, schallte es gestern durch die Gänge der Berliner Spiegel-Redaktion.
Auf den Gesichtern der Redakteure machte sich ungläubiges Staunen breit: Zwar hatte man vor zwei Wochen im Spiegel schon über diese Frauen berichtet, die in lila Latzhosen, mit Räucherstäbchen und Friedenszeichen stets gegen Männer, Sex und Gewalt anstinken würden. Doch persönliche Bekanntschaft hatte scheinbar noch niemand mit ihnen geschlossen. Kein Wunder, könnte an dieser Stelle der Ex-tazler und Leiter des Büros, Michael Sontheimer, antworten. Denn in seinem Büro bei der taz hatten sich Aktivistinnen 1981 nur nachts über die Einrichtung hergemacht.
Die Angst vor Buttersäuregestank und verwüsteten Büroräumen war jedoch rasch verschwunden, denn die Akteurinnen erklärten: „Nie würden wir Gewalt anwenden. Das ist patriarchal. Feministinnen sind friedlich.“ Was eigentlich hätte bekannt sein müssen, denn auch das war in dem Artikel über den soeben angelaufenen Film „Tank Girl“ zu lesen gewesen. „Wenn ich alles lesen würde, was im Spiegel steht ...“ meinte einer der Redakteure.
Und so nahm man die Besetzungsaktion zum Anlaß, erste Kontakte zu knüpfen. Eilig wurde ein Fotoapparat geholt, um auf einem Gruppenfoto den hohen pc- Gehalt der Redaktion zu dokumentieren. „Wir gucken betroffen und ihr kämpferisch, okay?“ schlug ein Mitarbeiter vor. Daraus wurde dann allerdings nichts, weil er im Eifer des Gefechts etwas tat, was durchaus nicht pc war. „Er hat mich angefaßt! Schwanz ab! Vergewaltiger! Sexist!“ tönte es durch die Räume, bevor die Fotografin auf den Auslöser drücken konnte. Trillerpfeifen und Transparente kamen erneut zum Einsatz: „Alle Spiegel-Redakteure sind Vergewaltiger“ setzte sich als Konsens durch. Da half keine Einladung zum Erfrischungsgetränk und kein gutes Zureden. „Raus hier, der Gestank des Patriarchats ist unerträglich!“ war das letzte, was von den Latzhosinnen zu hören war. Eine vor der Fahrstuhltür zurückgelassene Latzhose wird die Redakteure künftig ermahnen: „Sex ist grauenhaft!“ Gesa Schulz
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