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■ Vor zwei Jahren: Abschied vom Grundrecht auf AsylAsyl für Deutschland

Immer, wenn die Bundesregierung ankündigt, ihre Vertreter höchstpersönlich nach Karlsruhe zu schicken, dann geht's ans Eingemachte. Zuletzt drängten Bonner Minister beim § 218 auf persönliche Präsenz, dann bei der Weichenstellung für die Einsätze der Bundeswehr im Ausland. Im Herbst steht eine dritte Entscheidung von „nationaler Tragweite“ an, und die Bundesregierung weiß, warum sie diese so bewertet. Es geht um die Eckpfeiler des neues Asylrechts, das heute vor zwei Jahren in Kraft trat und seitdem die Republik verändert, ohne daß sie es recht merkt.

Wie sollte sie auch? Die unmittelbaren Zeugen der Veränderung bekunden diese gerade durch ihre Abwesenheit. Auf weniger als ein Drittel des vorigen Standes hat das neue Recht die Asylbewerberzahlen gedrückt. Welches Gesetz rechtfertigt sich schon so prompt durch Erfüllung seiner Intention? Doch diese Planerfüllung hat das neue Gesetz nur durch eine Verkehrung seiner Ziele ereicht: das Grundrecht auf Asyl, zum Schutz ausländischer Flüchtlinge geschaffen, wurde endgültig zum Recht für die Deutschen.

Nur wenige Zeugen können überhaupt noch daran erinnern, daß die ursprüngliche Intention eine andere war: die wenigen, die sich durch durch elektronische Grenzkontrollen mogeln konnten, die sich durch bürokratische Abwehrstrategien und durch die Fallstricke von juristischen Expreßverfahren gekämpft haben. Manchmal muten sie heute an wie Emissäre aus einer anderen Welt, die Europa längst nicht mehr wahrnehmen will. Doch auch diese wenigen, die den Weg geschafft haben, verdanken es oft genug nur der Nachtarbeit von Kirchengemeinden, Anwälten und Flüchtlingsinitiativen, wenn sie einklagen können, was vom Asylrecht blieb.

Für die Flüchtlinge hat die Umwidmung des Asylrechts zum Schutzrecht für Deutsche unmittelbar spürbare Folgen. Für die Deutschen selbst wirkt sie eher wie ein Kriechstrom, der schleichend gesellschaftliche Normen außer Kraft setzt: die Asylrechtsänderung hat nicht nur bestehende Feindbilder gesetzlich sanktioniert und damit den Boden gedüngt für Ausländerhaß. Sie hat auch Türöffner gespielt für weitere Gesetze und Vorschriften zur Schaffung von Menschen verschiedener Kategorie: auf die Menschen mit und ohne Zutritt folgten Menschen, für die das deutsche Rechtssystem außer Kraft gesetzt ist, Menschen, für die ein anderes Existenzminimum gilt und die nur im dringenden Notfall Anspruch auf ärztliche Versorgung haben. Was vor zwei Jahren in Deutschland besiegelt wurde, hat aber vor allem auf internationaler Ebene den Weg frei gemacht. Die deutsche Asylrechtsänderung hat das letzte Hindernis beiseite geräumt für Europas Wettlauf der Schäbigkeit im Umgang mit Flüchtlingen. Vera Gaserow

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