: Privatisierung als Geschenk
■ Stadthalle Bremerhaven: Gewinne für GmbH, Kosten für die Stadtkasse
Bis zum 1. Oktober soll die Stadthalle in Bremerhaven privatisiert werden. Das wollen jedenfalls der Magistrat und die private Betreibergesellschaft. Ohne öffentliche Ausschreibung haben sie sich nach knapp einem Jahr hinter verschlossenen Türen geeinigt. Jetzt wollen sie den Pacht-Vertrag für das Anwesen am Wilhelm-Kaisen-Platz so schnell wie möglich unter unter Dach und Fach bringen. Der Finanzausschuß befaßt sich morgen mit den Vertragsbedingungen: Die Stadt verliert jeglichen Einfluß auf das kulturelle Angebot der Stadthalle. Sie kassiert eine minimale Pacht, steht aber für die Verluste der privaten Investoren bis zu einer Höhe von 200.000 Mark jährlich gerade. Hinzu kommen Personalkosten in Millionenhöhe, auf denen die Stadt sitzenbleibt, weil die Betreibergesellschaft höchstens zehn von den 35 Mitarbeitern übernehmen will. Das sind nur einige der Konditionen, die die Stadtverordneten Ende August auf einer geplanten Sondersitzung absegnen sollen. Die plötzliche Eile ist beabsichtigt – die Privatisierung soll im Schnellverfahren noch in dieser Legislaturperiode über die Bühne gebracht werden.
Das ist Peter Pletz, Fraktionsvorsitzender der Grünen, nicht geheuer: „Es sind noch so viele Detailfragen zu klären. Das Tempo mit dem jetzt versucht werden soll, die Sache übers Knie zu brechen, riecht danach, daß wir keine Zeit haben sollen, uns mit den Vertragsbedingungen und den Auswirkungen für die Stadt im einzelnen zu befassen.“
Geplant ist, daß die Stadt aus steuerlichen Gründen eine Vermögens-GmbH gründet, deren alleiniger Gesellschafter sie ist. Sie verpachtet die Stadthalle an die „Stadthalle Bremerhaven GmbH“. Gesellschafter dieser privaten Betreibergesellschaft sind neben dem Nordsee-Zeitungs-Verleger, Dr. Joachim Ditzen-Blanke und der Bremer Beck's Brauerei auch der jetzige Stadthallen-Geschäftsführer Hans-Jürgen Krams. Er soll auch künftig die Geschicke der Stadthalle als Geschäftsführer leiten. Um „die Fesseln des öffentlichen Dienstes“ abzustreifen, will er den Stadthallenbetrieb mit höchstens zehn Mitarbeitern schmeißen. „Das überflüssige Personal“ soll bei der Stadt untergebracht werden.
Während sich Krams durch diese „Rationalisierungseffekte“ fette Gewinne erhofft, muß die Stadt die Personalkosten für die übrigen Mitarbeiter blechen. Das sind in den ersten zwei Jahren etwa 2,3 Millionen Mark – ein dicker Batzen Geld, der das Geschäft nicht gerade lukrativer macht. Die Auswirkungen dieses Pferdefußes glaubt ein Mitglied des Betriebsrates schon jetzt zu beobachten: „Was hier passiert, seitdem die Privatisierung geplant ist, spottet jeder Beschreibung. Es werden ungerechtfertigte Kündigungen ausgesprochen, und es hagelt Abmahnungen am laufenden Band. Wir stehen dauernd vor dem Arbeitsgericht.“ Den Grund dafür habe er schwarz auf weiß gesehen: „Es gibt ein Aktenvermerk, der besagt, daß vor der Privatisierung möglichst viel Personal durch Kündigungen abgebaut werden soll. Mit anderen Worten, wir sollen rausgeekelt werden, damit die Stadt so wenig Personalkosten wie möglich hat. Erst dann rechnet sich der Deal.“ Generell hat der Betriebsrat „nichts gegen die geplante Privatisierung“. Aber: „Wenn der Vertrag so beschlossen wird wie geplant, sind wir die Gelackmeierten.
Auch die Stadt Bremerhaven zieht bei dem geplanten Kontrakt den kürzeren. Bis zum 31. Dezember 1995 wollen die Gesellschafter keinen Pfennig Pacht zahlen. Schließlich werde das „Veranstaltungsgeschäft durch die Bauarbeiten in erheblichem Maße“ gestört. In der Tat sind die Handwerker in der Stadthalle zur Zeit kräftig am werkeln: Das Foyer wird ausgebaut, die Akustik wird erneuert, der Kartenverkauf soll auf Computer umgestellt werden, und eine neue Bühne gibt es auch. Kosten: Rund 30 Millionen Mark, die aus öffentlichen Geldern oder Bürgschaften finanziert werden.
Die Modernisierung läßt die Kasse klingeln: 1,2 Millionen Mark Mehreinnahmen hat eine Bremer Wirtschaftsprüfungsgesellschaft errechnet. Das Geld fließt in die Taschen der privaten Investoren. Sie profitieren also von den Umbauten, die von der öffentlichen Hand finanziert werden, – zahlen wollen sie dafür nichts.
Ab Januar 1996 möchten die Betreiber allenfalls monatlich 10.000 Mark Pacht locker machen, ab April 1997 dann 20.000 Mark. „Ein lächerlicher Pachtzins“, sagt der Bremer Rechtsanwalt Jürgen Maly, der sich im Auftrag des Betriebsrates mit dem Vertragsentwurf befaßt hat. „Die Liegenschaft ist 55 Millionen Mark wert. Eine Pacht von durchschnittlich 0,3 Prozent pro Jahr ist ein Geschenk der Steuerzahler an private Investoren – eine direkte Subvention also. Die private Vergabe eines solchen Kulturobjektes muß öffentlich ausgeschrieben und nicht verkungelt werden.“
Auch Peter Pletz, Fraktionschef der Grünen, ist empört: „Das ist die reinste Sozialhilfe für Unternehmer.“ Das gelte auch für die geplante Ausfallbürgschaft von jährlich 200.000 Mark: Fünf Jahre lang will sich die Betreibergesellschaft ihre Verluste bis zu dieser Höhe von der Stadt zurückholen – als Starthilfe sozusagen.
Rolf Stindl, Fraktionsvorsitzender der CDU, versteht die Aufregung hingegen nicht. Er will, daß die Stadthalle „möglichst schnell privat betrieben wird“, weil dadurch jährlich 850.000 Mark eingespart würden. Den niedrigen Pachtzins hält er für „richtig“. Auch gegen die Ausfallbürgschaft hat er nichts. Anderen Veranstaltern würden schließlich auch Bürgschaften gewährt. Über die Höhe müsse allerdings noch verhandelt werden. „Zur Not müssen wir uns mehr Zeit lassen. Bei diesem Vertragsentwurf steckt der Teufel im Detail. Es geht nicht an, daß die Stadt das ganze Risiko trägt.“
Dieser Meinung ist auch Fritz Grote, stellvertretender SPD-Fraktionschef. „Gerade was die Instandhaltungskosten angeht, muß noch verhandelt werden“, sagt er. Die Betreibergesellschaft will nämlich lediglich Schönheitsreparaturen bis zu 5.000 Mark zahlen. Alles andere geht auf die Rechnung der Stadt: Versicherungen, Grundsteuer, die Unterhaltung der Außenanlagen, Wartung der Anlagen für Heizung, Lüftung, Kälte, Wasseraufbereitung und der Außenbeleuchtung. Wenn die Pacht von 10.000 bzw. 20.000 Mark nicht reicht, sollen diese Kosten aus „zusätzlichen Haushaltsmitteln finanziert werden“. Mit anderen Worten: Die Stadt zahlt drauf. kes
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