: In Zukunft weniger Hungernde
Die Zahl der Hungernden wird nach Angaben der Welternährungsorganisation FAO schrumpfen, doch in Afrika sieht es düster aus ■ Aus Bonn Uwe Kerkow
Vergleichsweise optimistisch sieht die Organisation für Landwirtschaft und Ernährung (FAO) der Vereinten Nationen die Entwicklung der weltweiten Landwirtschaft. Hartwig de Haen, Leiter der Hauptabteilung Wirtschafts- und Sozialpolitik der FAO, stellte gestern in Bonn die Ergebnisse einer neuen FAO-Studie „Weltlandwirtschaft bis zum Jahr 2010“ vor.
Dem 450 Seiten starken Werk lagen zwei Fragen zugrunde: Wird es genug Nahrung für alle geben, und wird es möglich werden, diese gerechter zu verteilen? Um es vorwegzunehmen: Auch in 15 Jahren werden noch 650 Millionen Menschen chronisch unterernährt sein. Doch noch in den sechziger Jahren waren es fast eine Milliarde Menschen, zur Zeit hungern knapp 800 Millionen Menschen chronisch.
Gemessen an der Entwicklung der Weltbevölkerung sieht die Entwicklung noch positiver aus: Mußte 1965 noch jedeR dritte ErdenbürgerIn regelmäßig hungern, wird es in 15 Jahren nur noch jedeR zehnte sein. Wenn die Zahl der Bürgerkriege und Naturkatastrophen sich in Grenzen hält.
Doch wird diese Entwicklung regional äußerst unterschiedlich verlaufen. „Die Geißel der Unterernährung verlagert sich von Südasien nach Afrika südlich der Sahara, wo rund 300 Millionen Menschen (heute 175 Millionen) ohne ausreichende Nahrung sein werden“, heißt es in dem Bericht.
Die größten Wachstumsimpulse werden von Ostasien ausgehen. Dort, im Nahen Osten, in Lateinamerika und in der Karibik wird die durchschnittliche Versorgung die Marke von 3.000 Kalorien überschreiten. Für Schwarzafrika und Südasien verbleiben allerdings nur 2.100 beziehungsweise 2.200 Kalorien pro Kopf, ein Wert, der bei der ungleichen Verteilung innerhalb dieser Regionen immer noch Hunger für Millionen Menschen bedeutet. Zum Vergleich: Pro Person stehen in den Industrieländern durchschnittlich 3.500 Kalorien zur Verfügung.
De Haen beschrieb das Hauptproblem bei der gerechten Verteilung von Nahrungsmitteln als Kaufkraftmangel der Ärmsten in den Entwicklungsländern. Deren Regierungen müßten die Landwirtschaft verstärkt fördern, da sie vielen Menschen Arbeit verschaffe und so gleichermaßen das Einkommen wie die benötigten Produkte bereitstelle. Gerade hier, so de Haen, sei aber festzustellen, daß sowohl international als auch innerhalb vieler Staaten die Investitionen in die Landwirtschaft zurückgingen. Auch die sinkende Bereitschaft der reichen Nationen zur Entwicklungszusammenarbeit stelle ein großes Problem dar.
In absoluten Zahlen wird der Produktionszuwachs an Nahrungsmitteln konstant bleiben. Die Ackerfläche wird um 90 Millionen Hektar zunehmen, die Erntefläche sogar um 135 Millionen Hektar. Ein Teil der Fläche erlaubt eine zweimalige Ernte, deshalb ist die Erntefläche größer.
Obwohl die Getreideimporte der Entwicklungsländer weiterhin ansteigen werden, werden die Industrieländer in den nächsten 15 Jahren Netto-Importeure von landwirtschaftlichen Produkten werden. Dies ist zum Teil auch auf die Gatt-Vereinbarungen zurückzuführen, die insbesondere der EG Subventionsabbau in der Landwirtschaft vorschreiben. Die FAO- Wissenschaftler sehen das auch als Chance für die ProduzentInnen in den Entwicklungsländern, da ihnen die steigenden Weltmarktpreise bessere Einkommenschancen böten.
Die Grenzen des Wachstums sind heute besser zu erkennen als noch vor 15 Jahren. Der Bericht weist darauf hin, daß besonders die Konkurrenz zwischen verschiedenen Produktionszweigen um das knapper werdende Wasser problematisch für die Landwirtschaft werden könnte. Besonders kritisch sieht die FAO die rasante Erosion der biologischen Vielfalt. Hier seien internationale Vereinbarungen nötig, die den FarmerInnen, die die genetische Vielfalt erhalten, einen Ausgleich für ihre entgangenen Erträge zahlen.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen