■ Mit Energieprognosen auf du und du: Shell für Arme
Berlin (taz) – Klimapolitiker mahnen zur Sparsamkeit. Aber je länger sie reden, desto weniger werden sie gehört. Drei Jahre lang schienen ihre Appelle eine gewisse Wirkung zu zeigen. Von 1990 bis 1993 blieb der weltweite Verbrauch an Energie einigermaßen stabil, obwohl auch in dieser Zeit die Weltbevölkerung zunahm. Doch 1994 war die Zeit der Mäßigung vorbei. Nach der neuesten Statistik des Ölkonzerns BP sind zum erstenmal wieder etwa ein Prozent mehr Öl, Kohle und Erdgas verfeuert worden. Die asiatischen Boomländer glichen den Zusammenbruch der sozialistischen Staaten aus. Außerhalb der GUS- Länder hielt der Energieverbrauch mit dem durchschnittlichen Wachstum der Bruttoinlandsprodukte Schritt – beide nahmen um 2,5 Prozent zu.
Der Shell-Konzern hat diese Zahlen für die nächsten 30 Jahre fortgeschrieben. Seine Studie „Energie für das 21. Jahrhundert“, die in dieser Woche veröffentlicht worden ist, kommt zum Schluß, daß der Energiehunger der Welt ungebrochen ist. Wohlstand, hofft der Konzern, wird noch dreißig Jahre lang erkauft mit einem höheren Verbauch an Erdöl und Gas. Erst nach dem Jahr 2020 könnten regenerative Energien oder fortgeschrittene Spartechniken den auch dann noch wachsenden Bedarf in bedeutendem Umfang decken. Heute jedoch, meinen die Ölanalytiker, läßt sich Energie nur auf Kosten der Armen sparen. Tatsächlich könnten Industrieländer den Energieverbrauch politisch diskriminieren und mit Ökosteuern verteuern. Dieses Szenario, das in der Studie „Barrieren“ heißt, würde aber Einkommen und Entwicklungschancen der Länder mindern, die vom Rohstoffexport leben. Und selbst dann würde der Weltverbrauch an Energie nur um etwa um zehn Prozent unter das Niveau fallen, das in einem ökologisch ungergelten Markt erreicht würde, in dem auch Shell die besten Geschäfte macht. Niklaus Hablützel
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