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Die Rückkehr der Tang-Dynastie

Plastikbuddhas, Drachentürgriffe, Holzwandbilder, Pagodentorbögen – reich ist die Folklore des China-Restaurants. Man ißt unter Troddeln und Lack, der Stil rankt ins Pompöse, Verschlungene, im Grunde Dekadente. Doch ein Paradigmenwechsel bahnt sich an!  ■ Von Dorothee Wenner und Helmut Höge

Mach, daß der Reichtum zu uns kommt“, steht auf der Schriftrolle des lachenden Buddhas. Mehr als ein frommer Wunsch: China-Restaurantbesitzer gehörten zu den ersten Investoren im Osten, – und es ist auch heute noch ein boomendes Gewerbe, das von Ost- wie Westdeutschen geschätzt wird. Allein in Berlin gibt es 700-800 Lokale. Sie haben so geheimnisvolle Namen wie „Tien Tan“ (Himmelstempel), „Jin Shan“ (Der goldene Berg), „Yang Shin“ (Hammelstadt), „Feng Hua“ (Gedeihendes China), „Kang Le“ (Fröhliche Gesundheit), „Son Do“ (Die neue Hauptstadt) oder schlicht „Bolin“ (Berlin). Ihre fernöstliche Gestaltung – innen wie außen – kontrastiert aufs Schönste mit deutscher Backstein-, Platten-, Fachwerk- und Gründerzeit-Architektur.

Was an der Fassade anarchisch wirken mag, kam ursprünglich einmal auf Bestellung. In Europa gibt es fünf große China-Restaurantausstatter: in London, Paris, Amsterdam, Hamburg und Berlin, wo eine Firma namens „Sino-Deco“ ansässig ist. Dort bekommt der Gastronom China-Dächer (für 400-600 Mark), Drachensäulen (1.900-3.200 Mark), rote China-Tresensäulen, beleuchtbar (1.450 Mark), Löwen (50-2.500 Mark), Glas-Jade-Paravents (1.400 Mark), China- Fenster mit Glasschnitzereien (600 Mark), Drachen-Türgriffe (80 Mark), Pagodentorbogen „Pailu“ (auf Anfrage), Holzwandbilder Fee, Vogel oder Phönix (2.200 Mark), Palastlaternen mit Glasmalerei (190 Mark), Reisschalen mit Löffel (2,10 Mark), hölzerne Eßstäbchen (2.000 St. – 200 Mark). Alle Einrichtungsgegenstände werden aus der VR China, Taiwan oder Hongkong importiert. Die dortigen „Handwerksfabriken“ sind in der Lage, auch spezielle Wünsche zu erfüllen; die innenarchitektonischen Pläne werden in der „Sino-Deco“-Zweigstelle Taipeh gezeichnet.

Bei der Außenarchitektur sind den individuellen Vorstellungen der Restaurantbesitzer in Deutschland – im Gegensatz zu anderen europäischen Ländern – enge Grenzen gesetzt. Sieben Ämter müssen ihre Genehmigung erteilen, was bis zu einem Jahr dauern kann. „Viele meiner Kunden würden den Eingangsbereich gerne viel opulenter gestalten“, sagt Markus Fehr, Inhaber von „Sino-Deco“, ein 35jähriger Wirtschaftswissenschaftler und Sinologe. „Im Holländischen Viertel Potsdam durfte zum Beispiel das ,Chinatown‘ nur eine 30 Zentimeter hohe Messingschrift verwenden und die goldenen Löwen vor der Tür müssen nachts reingeholt werden.“ Im Einrichtungsstil der China-Restaurants macht sich derzeit ein Trendwechsel bemerkbar. Weg vom dunklen, überladenen Palaststil der Mandschu- und Ming-Dynastie mit viel ornamentierten Deckenplatten aus Mahagoni, Glasfiber und Lack. Die neue Mode gleicht einer Art Rückbesinnung auf den schlichteren, feineren „Teehaus-Stil“ der Sung- und Tang-Dynastie. Drache und Phönix sind „out“, Buche, Glas und Spiegel dagegen im Kommen. Das bedeutet nicht, auf Luxus zu verzichten, das Spandauer „Evergreen“ zum Beispiel eröffnet demnächst den ersten Chinesischen Garten der Stadt, mit Teich, Teehaus und neunwinkliger Brücke. Leider erlaubte das Planungsamt nur, die Gartenmauer zum Parkplatz 80 Zentimeter hoch zu bauen, was den Einbau eines runden Mond-Tores verunmöglicht, durch das einzutreten Glück bringt. Angela Maung-Yin, eine in Berlin lebende Dolmetscherin aus Taiwan, erinnert sich, die romantische, zuweilen ins Pompöse rankende Ausstattung von China-Restaurants erst in Deutschland kennengelernt zu haben. „Ich glaube, daß dieser Geschmack sich am hier vorherrschenden China-Bild orientiert, und das ist von kitschigen Filmen geprägt.“ Ähnlich verschlungen erklärt uns Markus Fehr die Restaurant-Ästhetik: „Der sogenannte ,Hotel-Stil‘ kam aus Amerika und Europa nach Südostasien und China und beeinflußte dort den Bau luxuriöser Restaurants, die oft in Hotels sind. Von dort schwappte der Stil auf die Straße und kam sinisiert bei den Auslandschinesen hier wieder an. Typisch dafür sind zum Beispiel die Rezeptionstische und Glastrennwände mit Messing.“

Die Ausstattung eines China- Restaurants kostet durchschnittlich 150- bis 300.000 Mark, ohne Küchen- und Lüftungseinrichtungen. Eine Berliner Unternehmerin investierte gar 800.000 Mark. In der Regel benötigt man für eine Neueinrichtung ein Drittel Eigenkapital, den Rest gibt die Brauerei und eine Bank, die nicht selten eine chinesische Kreditgenossenschaft ist. Zwar wird das Restaurant zumeist als Familienbetrieb geführt, als Köche werden jedoch gerne qualifizierte Leute aus China, Hongkong oder Taiwan angestellt. Neben dem Lohn bekommen sie hier oft noch Kost und Logis. Dabei ist es ihnen möglich, bis zu 15.000 Mark jährlich zu sparen. Wenn sie nach acht Jahren eine Aufenthaltsberechtigung bekommen, können sie eine eigene Konzession beantragen. Bis dahin haben viele schon einen Teil ihrer Familie nachgeholt, und zur Eröffnung ihres Restaurants brauchen sie nun neue Köche aus China.

Vielleicht wegen ihres original- chinesischen Ambientes werden die Restaurantbesitzer im Ausland häufig mit einer anderen Art chinesischer Folklore in Verbindung gebracht: den „Triaden“. Die Berliner Polizei hat sogar eine kleine Soko dafür abgestellt. Über Spanien und Tschechien sind wiederholt Flüchtlinge aus der VR China hier als Schwarzarbeiter aufgetaucht. Wegen zu hoher Verschuldung haben einige Erpressungsversuche unternommen.

Auch wenn diese Fälle von der Soko nicht als „organisiertes Verbrechen“ eingestuft werden, – bei den Restaurantbesitzern bewirkten sie eine große Verängstigung. Vor allem befürchten sie Entführungen. Asiatische Restaurantbesucher werden – wenn sie das erste Mal im Lokal sind – vom Besitzer anfänglich beargwöhnt. In Asien gehört es fast schon zur Normalität, daß reiche oder auch nur so aussehende Chinesen in ständiger Angst leben.

Das macht vielleicht die so häufige Anwesenheit der Vier Buddhas in den China-Restaurants verständlich, die „Langes Leben“, „Glück“, „Hohes Ansehen“ und „Reichtum“ symbolisieren.

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