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Hertie – Horten – Bubis

■ Bea Wyler, Rabbinerin für Oldenburg und Brauschweig: „Mir wäre es lieber, wenn die Leute erst kritisieren würden, wenn sie sehen was wir tun.“

Es gibt Streit unter den deutschen JüdInnen, der Anlaß hat einen Namen: Bea Wyler. Die Schweizerin hat gestern ihren ersten Arbeitstag als Rabbinerin für Oldenburg und Braunschweig angetreten, und diese Bestellung hat sowohl die Rabbinerkonferenz als auch den Sprecher des Zentralrates der Juden in Deutschland, Ignatz Bubis, zu heftigen Äußerungen provoziert. Sie haben sich gegen eine Frau für das Amt ausgesprochen. Frau Wyler hat in den letzten Tagen Interviews verweigert. Gestern hat sie geredet.

taz: Die jüdischen Gemeinden Oldenburg und Brauschweig haben Sie als erste Rabbinerin in Deutschland eingestellt. Die orthodoxen Juden fühlen sich provoziert und herausgefordert. Haben sie mit einer solch heftigen Reaktion gerechnet?

Bea Wyler: Aber sicher habe ich mit dieser Reaktion gerechnet. Ich bin zwar in vielerlei Hinsicht sehr naiv, aber in der Hinsicht bin ich es wirklich nicht. Es wäre absolut übertrieben gewesen, wenn mich die Orthodoxie, die Rabbinerkonferenz oder Herr Bubis mit offenen Armen willkommen geheißen hätte. Zu diesem scharfen und heißen Wind, der mir in diesen Tagen entgegen bläst läßt sich sagen...mir wäre es lieber, wenn die Leute erst kritisieren würden, wenn sie sehen was wir tun.

Der Vorsitzende des Zentralrats der Juden in Deutschland, Ignatz Bubis, hat kürzlich in einem Gespräch mit dem britischen Rundfunksender BBC erklärt, daß er an einem von Ihnen geleiteten Gottesdienst nicht teilnehmen würde. Wie denken Sie über eine solche Äußerung?

Wenn ich bei Hertie oder bei Horten einkaufen will, so ist das meine Wahl. Und wenn Herr Bubis meint, daß er in einer orthodoxen und nicht in unserer Gemeinde beten will, so ist das auch seine Wahl. Selbstverständlich ist Herr Bubis jederzeit bei mir im Gottesdienst willkommen. Schließlich war er bei den Einweihungsfeiern der Oldenburger Synagoge kürzlich auch dabei.

Durch die Äußerung von Ignatz Bubis, daß Sie in der deutschen Rabbinerkonferenz nicht Mitglied werden, ist ein Richtungsstreit zwischen orthodoxen und reformorientierten Gemeinden vorprogrammiert. Ist zu erwarten, daß sich dieser Streit negativ auf die jungen Gemeinden Oldenburg und Braunschweig auswirkt?

Ich glaube nicht, daß die jungen Gemeinden schwer daran zu kämpfen haben. Die sind gut trainiert im Kampf. Wenn Herr Bubis von den Medien angefragt wird, dann ist es auch sein gutes Recht sich dazu zu äußern. Was ich allerdings sehr schade finde, daß sich Herr Bubis, als Vorsitzender des Zentralrats der Juden, in einer mißverständlichen Äußerung zum Sprachrohr der deutschen Rabbinerkonferenz hat hinreißen lassen. Ich bin übrigens Mitglied einer internationalen Rabbinerkonferenz, des „Worldwide Conservative Movement“. Nachteile für die Gemeinden Oldenburg und Braunschweig wird es durch die eventuelle Verweigerung der Mitgliedschaft der deutschen Rabbinerkonferenz nicht geben. Ein Richtungsstreit zwischen den in Deutschland lebenden Juden ist meiner Meinung nach nicht zu befürchten.

Sie stehen mit Ihrer Berufung zur Rabbinerin in einer langen jüdischen Tradition. Schon in den Dreißiger Jahren hatte es mit Regina Jonas eine deutsche Rabbinerin gegeben. In den USA sind Frauen in dieser Position längst an der Tagesordnung. Warum tun sich die deutschen Juden so schwer mit Ihnen?

60 Jahre sind keine lange Tradition für das Judentum. Niemand gibt gerne seine Privilegien, die er seit Jahrhunderten, oder besser seit Jahrtausenden innehatte gerne ab oder möchte sie teilen. So ist die Reaktion der orthodoxen Juden nicht verwunderlich. Der Wunsch und auch der Anspruch jüdischer Frauen, gleichberechtigt mitzuwirken und mitzugestalten, stellt eine große Herausforderung dar. Nicht ein Kratzen an der Vorherrschaft der Männer, auch nicht ein Kratzen an männlichen Privilegien, sondern wir verstehen uns als einen Beitrag zur Bereicherung der jüdischen Tradition. Dagegen kann ja nun niemand sein.

Werden bald noch weitere Rabbinerinnen in Deutschland tätig werden?

Ich hoffe es, ich hoffe es sehr! Für mich persönlich ist es wichtig, 50 Jahre nach der Shoa eine jüdische Präsens zu markieren. Diese Chance lasse ich mir nicht nehmen.

Wie sehen Ihre Zukunftspläne aus?

(scherzend) Oberrabbiner von Deutschland!

Fragen: Maik Günther

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