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Wo hängen die Eier?

■ Haifa ist Bremens Partnerstadt. Aber wer weiß das schon?

“Fragen Sie doch mal in Haifa herum. Ich bin sicher, höchstens fünf Prozent der Bevölkerung wissen, daß Bremen und Haifa Partnerstädte sind“, sagt Micky Pinkas. Er und seine Frau Hannah gehören zur wissenden Minderheit – heute mehr denn je. Sieben Tage verbrachte das Paar aus Israel mit seiner dreijährigen Tochter gerade in Bremen. Ganz offiziell, als GewinnerInnen eines Preisausschreibens, machten sie hier Urlaub. Besuchten den Vulkan und den Hafen, trafen Parlamentspräsident Metz und umarmten Bürgermeister Scherf.

Preisausschreiben und Partnerstadt – sind die neuen Kriterien bei Städtepartnerschaften neuerdings Glück und Beliebigkeit? Nein, sagen die Drahtzieher im Gewinnspiel Bremen, Elvira Noa und Sven Parsser. „Aber wir wollten vor allem die Begegnung stinknormaler Menschen fördern und Bremen in Haifa bekannter machen“. Durch den Erfolg der Israel-Woche im Frühjahr sei ihnen die ungewöhnliche Idee zum Preisausschreiben gekommen. Schließlich habe bei sowas jeder die Chance, mal nach Bremen zu kommen. „Nicht nur Politiker, wie es bei Städtepartnerschaften meist der Fall ist“, betont Elvira Noa.

Die Frau aus der Kulturbehörde, zugleich im Vorstand der Israelitischen Gemeinde, hat schon lange die Fäden der Bremen-Israel-Connection in der Hand. Ebenso der Geschäftsmann Sven Parsser. Seit er vor neun Jahren aus Amsterdam nach Bremen zuzog, ist er der offizielle Vertreter Haifas in Bremen. Als solcher sitzt er auch im Verwaltungsgremium des sechsstellig ausgestatteten „Kulturfonds“. Der wurde Ende der 70er Jahre zwischen den Partnerstädten gegründet, damit seine Zinserträge Haifas BürgerInnen zugute kämen. Weswegen Parsser zahlreiche bremische Anfragen um Unterstützung ablehnen muß, so wichtig er persönlich die Förderung des Theaterstücks über Auschwitz oder den Jugendaustausch mit Israel findet.

Immer wieder geht Parsser deshalb auf die Suche nach anderen Wegen, die die Verbindung zwischen beiden Ländern fördern. „Wir dürfen die Vergangenheit nicht vergessen. Aber wir müssen an der Zukunft bauen.“ Die liegt für Sven Parsser in der Jugend, für deren neugierige Fragen er manchmal den Terminkalender freischaufelt. Der Vater einer erwachsenen Tochter setzt darauf: „Die Kinder setzen sich einfach gemeinsam an den Strand und trinken ein Bier. Ganz normal.“

Anders manche Mütter. Wenn die herumdrucksen, wie das beim Schüleraustausch in Israel mit dem Sohn und den Mädchen dort sei, lacht Parsser gerne. „Wenn er sich verliebt, bleibt er eben da“, heißt seine Antwort in solchen Fällen. Wäre doch normal. Und für die normale Begegnung ohne das alte deutsche Schuldgefühl ist Parsser sehr. Jeden starrenden Blick auf seinen Davidstern-Anhänger registriert er aufmerksam. „Wir leben noch, auch in Deutschland“, sagt er. Damit sich das endlich rumspricht, tüftelt er in der Freizeit auch mal Preisausschreiben aus, inklusive Finanzierung.

Micky und Hannah Pinkas strahlen in Gewinnerlaune. Bremen gefällt ihnen. „Die Leute sind so relaxed – und das sage ich nicht, weil Sie von der Zeitung kommen“, schwört Micky Pinkas. Hier sei es anders als im überschwenglichen Israel. „Da wollen sie nach zwei Minuten schon wissen, wieviel du verdienst“, schüttelt der 40jährige sich.

Eigentlich verkörpern die Pinkas' die idealen Städtepartner: Neben dem Urlaubsvergnügen gehen sie in Bremen auch beruflicher Neugier nach. Hannah Pinkas beispielsweise arbeitet in Haifa im Baubereich. Hier faszinieren sie die roten Spitzdächer ebenso wie die Bremer Fenster. Und Micky nahm den Hafen kritisch unter die Lupe: in Haifa besorgt er die Import-Export-Logistik einer chemischen Fabrik, deren Rohstoffe häufig aus Deutschland stammen.

Neu ist Deutschland für beide nicht. Das war wohl ihr Glück. Denn alte Verbindungen nach Köln sorgten dafür, daß Micky die Antwort auf die schwierigeren Fragen des Preisausschreibens fand: Bei der Zahl der Abgeordneten im Bremer Parlament und bei der Höhenangabe des Bremer Doms mußte er passen. Dafür mobilisierte er einen deutschen Freund in Köln: „Wenn du uns sehen willst, dann hilf uns.“ In der nächsten Woche reisen die Pinkas' weiter nach Köln.

Viele BremerInnen haben die Pinkas' privat nicht kennengelernt –wie das bei einem einwöchigen Urlaub eben üblich ist. „Aber das können wir ein anderes Mal nachholen“, sagt Micky Pinkas und lacht verschmitzt. „Wenn Bremen so nett ist und mich mal wieder einlädt“. Spaß beiseite: Die Pinkas' würden eine intensivere Begegnung zwischen den BürgerInnen beider Städte begrüßen – wie die allermeisten Israelis. „Es gibt doch nur nur wenige –hard-core-Leute', die nicht nach Deutschland fahren würden.“

Käme es zum Gegenbesuch per Preisausschreiben, hätten die beiden Haifaner schon ein paar Fragen parat: Welcher Prophet wird in der Gruft bei Haifa verehrt? Oder: Wo hängen die Eier des (ehemaligen) Bürgermeisters? ede

1. Der Prophet heißt Elija.

2. Am Berg Karmel. Dort hinauf ziehen die runden Zwillings-Gondeln, die unter dem letzten Bürgermeister Haifas eingeweiht wurden.

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