: Japan hofft auf sein Comeback
■ Regierung setzt auf Zinssenkungen und Konjunkturprogramme
Eben noch hatte ein Schweizer Wirtschaftsinstitut Japan in der Rangliste der wettbewerbsfähigsten Nationen auf Platz vier zurückstuft. Schon arbeitet das Land an seinem Comeback. Mit einer seit der Depression der 30er Jahre bislang einmaligen Maßnahme unter Industrienationen halbierte die japanische Zentralbank am Freitag den ohnehin niedrigen Leitzinssatz von 1 Prozent auf 0,5 Prozent. „Eine richtige Maßnahme zur richtigen Zeit“, polterte Premierminister Tomiichi Murayama. Der Aktienmarkt schien dem Regierungschef noch am gleichen Tag Recht zu geben: Der Nikkei-Index kletterte am Freitag prompt um annäherend 4 Prozent.
Auf den Währungsmärkten hatte der Trend zur Aufwertung des Dollars und Schwächung des Yen in den letzten Wochen nachgelassen. Die Zinssenkung soll diesen Trend verstärken, und damit die Exportchancen japanischer Unternehmen verbessern.
Darüber hinaus war in den vergangenen Wochen der Finanzplatz Tokio vor dem Hintergrund spektakulärer Bankenbankrotte international ins Gerede gekommen. Hier verspricht die Leitzinswirkung ihre unmittelbarste Wirkung: Sie sichert den Banken höhere Profitmargen und damit die Möglichkeit, die Lasten fauler Kredite schneller abzubauen. Wie hilfreich sich vergangene Zinssenkungen hier erwiesen haben, zeigen die unlängst veröffentlichten Rekordgewinne der elf größten japanischen Banken in diesem Jahr. Ihre sagenhafte Summe von über 24 Milliarden Mark reicht freilich immer noch nicht aus, um das Schuldenproblem der Geldbranche in den Griff zu bekommen. Die japanische Zentralbank geht inzwischen davon aus, daß ohne eine rasche Entschärfung der Bankenkrise das weitere Wachstum der Wirtschaft in Frage steht.
Bei der neuen Zinspolitik aber wird es nicht bleiben. Schon am 20. September will das Tokioter Finanzministerium ein staatliches Konjunkturprogramm vorstellen, das nach Angaben der US-Bank J. P. Morgan in Tokio mindestens 2 Prozent des Bruttsozialprodukts umfassen wird – eine Summe von annäherend 150 Milliarden Mark.
Das Kommando über den neuen Wirtschaftplan wird dann der als „Macher“ umjubelte Liberaldemokrat Ryutaro Hashimoto führen, designierter Vorsitzender der größten Regierungspartei. Bei aller Euphorie in Wirtschaftskreisen kehren damit freilich auch die alten Probleme zurück: Denn Hashimoto und seine Partei versprechen kaum mehr als die alte exportorientierte Wachstumspolitik, die vielen japanischen Unternehmer veraltet erscheint. Sie warnen vor der Gefahr, daß das Land von dem derzeit für Südostasion günstigen Investitionsklima kaum profitieren könnte.
Mit Hashimoto könnten im übrigen auch die Korruptionsskandale zurückkehren, von der die japanische Politik seit dem Regierungswechsel von 1993 verschont geblieben war. Am Freitag kursierten in Tokio erstmals Gerüchte, die Hashimoto, der selbst vor Jahren Finanzminister war, in Verbindung zu einem der Korruption überführten Beamten im Finanzministerium brachten.
„Japan könnte das Italien Asiens werden“, prognostiziert Jesper Koll, Vize-Präsident von J. P. Morgan in Tokio. Süffisant verweist er nicht nur auf das Korruptionsproblem, sondern auch auf die enorme Staatsverschuldung des Landes.
Georg Blume, Tokio
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