: Ein neuer Nick Leeson aus Japan
■ Angesteller versteckte Verluste von 1 Milliarde Dollar. Neuer Bankenskandal trifft die Daiwa Bank in Osaka
Tokio (taz) – Toshihide Iguchi heißt der neue Nick Leeson. Leeson, der zur Zeit in einem deutschen Gefängnis auf seine Ausweisung wartet, brachte im Februar die renommierte englische Barings-Bank mit Verlusten aus versteckten Termingeschäften in der Höhe von einer Milliarde Dollar zu Fall. Nun muß der Engländer einsehen, daß andere das gleiche Genie besitzen wie er. Dem 44jährigen New Yorker Angestellten der Daiwa Bank, Toshihide Iguchi, gelang nämlich ein ähnliches Kunststück: Über elf Jahre lang vesteckte Iguchi Verluste aus dem Handel mit US-Schuldbriefen vor dem Management seiner Bank. Mit der Zeit türmten sich Verluste von 1,1 Milliarden Dollar an, welche die Daiwa Bank, die zu den zehn größten japanischen Banken zählt, gestern überraschend bekanntgab. Kurz zuvor wurde der Handel mit Daiwa-Aktien an den Börsen von Tokio und Osaka bis auf weiteres suspendiert.
Iguchi, Vizechef der New Yorker Filiale, hatte seine Bank im Juli offenbar selbst über die angesammelten Verluste informiert. Wie im Fall Leeson hatte die Bankführung, die in Osaka ihren Sitz hat, bedingungloses Vertrauen in ihren bereits seit 1976 in New York beschäftigten Angestellten gehabt. So wachte Iguchi sowohl über den Ein- und Verkauf von US-Schuldscheinen, zwei Aufgaben, die eigentlich in getrennten Händen liegen sollten. Daiwa-Chef Akira Fujita kündigte gestern an, daß seine Bank die aufgetretenen Verluste, die etwa einem Prozent der Bilanzssumme entsprechen, noch im laufenden Halbjahr abschreiben werde. Die Bank werde die Gehälter ihrer Manager ab Oktober um 10 bis 30 Prozent kürzen. Unklar blieb, ob die Bank Iguchi auch strafrechtlich verfolgen will, weil dieser interne Bankbelege wiederholt gefälscht hatte.
Fragen stellt Tokios jüngster Bankenskandal vor allem an das Risikomanagement der japanischen Finanzinstitute. Schon lange regt sich der Verdacht, daß japanische Banken im Ausland unprofessionell mit Milliardensummen hantieren. „Wenn sich bestätigt, daß das japanische Risikomanagement im Ausland nicht ausreicht, droht eine weitere Herabstufung japanischer Banken durch die internationalen Bankrating-Institute“, warnte das Wirtschaftsblatt Nihon Keizai. Georg Blume
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen