piwik no script img

Ausbildungsplätze fehlen?

■ Unternehmer über den Ausbildungsplatz-Mangel: keiner Schuld bewußt

Den „großen Kladderadatsch“ hatte Anfang der Woche Arbeitsamts-Direktor Christian Hawel für den Fall prognostiziert, daß der fatale Trend nicht zum Stillstand komme. 407 Jugendliche stehen, ein neuer Minusrekord, in Bremen ohne Ausbildungsstelle da – und die Betriebe, so sein Tenor, seien nicht schuldlos daran: „Es muß etwas passieren. Appelle allein nutzen offenbar nichts.“

Etliche Bremer Arbeitgeber sehen's, wer hätte das gedacht, weniger dramatisch. „Wir beobachten“, sagt zum Beispiel Uwe Nullmeyer, Geschäftsführer der örtlichen Handelskammer, „im Bereich unserer Zuständigkeit eine sehr erfreuliche Entwicklung.“ 10.000 Betriebe habe man sich, wohl wissend um die Lehrstellen-Knappheit, freundschaftlich zur Brust genommen. Mit Erfolg, wie er meint: „Es gab etliche Betriebe, die ihre Ausbildung vorübergehend eingestellt hatten. Teile dieses Potentials haben wir reaktiviert.“ Sie können also auch anders. Und das, obwohl es Nullmeyer zufolge „der innerstädtische Einzelhandel sehr schwer hat derzeit.“

Karin Kopens und ihr Mann Herbert gehören genau dieser Klientel an. Und sie bestätigen eine Tendenz, die Berufsberater Hans-Jürgen Lüschen bereits andeutete: kochen, metzgern oder backen wollen die jungen Leute von heute nicht mehr. „Früher haben wir keine Probleme gehabt, Lehrlinge zu bekommen,“ erzählt Karin Kopens, deren Familie nun schon in der vierten Generation eine 1914 gegründete Bäckerei betreibt, „heute schon.“ Übers Arbeitsamt oder Zeitungsannoncen starte man schon gar keine Versuche mehr: „Vier Uhr aufstehen, fünf Uhr anfangen – wer will das schon?“ Momentan wollen zur Überraschung der Eheleute gleich drei, zwei von ihnen möchten KonditorInnen und einer Bäcker werden. Aber richtig rechnen könne man diesen Boom nicht: „Das sind Kinder von Bekannten, die suchten halt 'ne Lehrstelle.“ So sehr sie das jugendliche Interesse an ihrem Handwerk auch freut – „Lehrstellen“, so meint sie, seien immer ein „Zuschußgeschäft“: „Die sind doch die wenigste Zeit da. Mal sind sie in der Schule, mal im Urlaub, mal krank. Oder, wie gerade, auf einer überbetrieblichen Weiterbildung in Wolfenbüttel.“

Von einer derartigen Auslastung können die Bremer Metall-Riesen nur träumen. Zwar sind im kaufmännischen Bereich bei Klöckner die vorgesehenen sechs Lehrstellen komplett besetzt. Ausbilderin Veronika Schilling: „Wenn wir wollten, könnten wir erheblich mehr einstellen. Mit Bewerbungen werden wir totgeschmissen.“ Doch im gewerblich-technischen Bereich gibt's –wenig verwunderlich bei einem Hause, das vor nicht allzu langer Zeit einmal kurz vor dem Konkurs stand – weiterhin „große Lücken“.

Erfahrungen, die der Bremer Vulkan-Verbund bestätigen kann. „Die jungen Menschen drängen vermehrt in die sogenannten Weißkittelberufe“,heißt es seitens der Personalleitung, „im kaufmännischen Bereich haben wir acht Lehrstellen angeboten –und über 200 Bewerbungen bekommen.“ Unterrepräsentiert seien hingegen die grobschlosserischen Berufe wie Schiffsbauer oder Schmelzschleifer: „Wir hätten 80 Auszubildende gebrauchen können. Aber mehr als 50 sind es nicht geworden.“ Generell aber bilde Vulkan, berücksichtige man die schwierige Situation der Branche und die Personalreduzierungen der Vergangenheit, „immer noch bedarfsgerecht oder sogar über Bedarf aus.“ Was auch Renate Hahne für STN Atlas, in dessen Bremer Niederlassung derzeit 133 Lehrlinge beschäftigt sind, in Anspruch nimmt: „Letztes Jahr haben wir 35 Auszubildende eingestellt, dieses Jahr 36. Mit dieser Größenordnung rechnen wir auch in den nächsten Jahren.“ -ich

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen