: Deutsche Weihnachtsmänner
■ Hauptproblem für Filipinas in Deutschland ist der vom Ehemann abhängige Aufenthalt. Interview mit Sigrun Katins, Berliner Projekt für Frauen aus Südostasien, und Diana Ramos-Dehn, Fraueninfozentrum Stuttgart
taz: Wie viele philippinische Frauen leben in Deutschland?
Diana Ramos-Dehn: Es gibt etwa 25.000 philippinische Männer und Frauen, die legal hier leben, davon sind über 80 Prozent Frauen. Wahrscheinlich gibt es fast genauso viele, wenn nicht doppelt so viele illegal lebende Filipinas hier.
Aus welchen Gründen kommen die Frauen hierher?
Sigrun Katins: Einige haben auf den Philippinen einen deutschen Mann kennengelernt, mit dem sie eine Familie gründen möchten. Andere haben die Hoffnung, eine gute Arbeit zu finden, um ihre Familie auf den Philippinen zu unterstützen. Oft ist es auch beides.
In welchen Bereichen arbeiten die Frauen hauptsächlich?
Sigrun Katins: Generell sind die Arbeitsmarktchancen für Migrantinnen schlecht. Doch ich habe den Eindruck, daß die meisten Frauen dennoch arbeiten, es sogar gegen den Willen des Mannes durchsetzen. Viele von ihnen haben gute Ausbildungen, arbeiten hier aber in Billiglohnjobs. Beispielsweise bei McDonald's oder in Süßwarenfabriken, die sie nur für die Oster- oder Weihnachtsproduktion einstellen.
Gibt es hier viele philippinische Hausangestellte?
Diana Ramos-Dehn: Das ist schwer zu sagen. Mir sind einige bekannt, die in Diplomatenfamilien arbeiten und über den diplomatischen Weg eine Aufenthaltsgenehmigung bekommen. Dann gibt es noch diejenigen, die als Touristinnen eingereist sind und dann illegal putzen gehen oder Alte oder Kranke pflegen.
Sigrun Katins: Einige kommen auch über Arbeitsvermittlungsinstitute auf den Philippinen als Hausangestellte her. Oft beginnt die Abhängigkeit dann schon mit der hohen Gebühr, für die sich die Frauen verschulden. Sie bekommen einen Privatvertrag, der nicht den rechtlichen Bestimmungen des Landes unterliegt. Migrantinnenorganisationen fordern zum Beispiel auch von Deutschland, daß der Aufenthalt nicht an den Arbeitsplatz gekoppelt ist. Denn dadurch sind sie ungeheuer abhängig.
Sind diese Institute der häufigste Weg für die Frauen, nach Deutschland zu kommen?
Sigrun Katins: Die meisten heiraten auf den Philippinen und kommen dann über Familiennachzug her. Dann tritt Paragraph 19 im Ausländerrecht in Kraft, der besagt, daß die Frau für vier Jahre mit dem Ehemann zusammenleben muß, bevor sie ein eigenständiges Aufenthaltsrecht bekommt. Das ist auch der häufigste Grund, warum die Frauen zu uns in die Beratung kommen. Wenn sie von ihrem Mann geschlagen werden oder sich aus anderen Gründen trennen wollen, werden sie ausgewiesen.
Ist bekannt, wie häufig das vorkommmt?
Nein, wir fordern, daß das Landeseinwohneramt, Abteilung Abschiebung, darüber eine Statistik anlegt, was bisher nicht geschieht. Aber um Ihnen ein Beispiel zu nennen: Eine Frau hatte sich in einen deutschen Mann verliebt und wollte hier arbeiten, um ihrer Familie Geld zu schicken. Als sie herkam, mußte sie einen Ehevertrag unterschreiben und auf alle Ansprüche gegenüber dem Ehemann verzichten. Er setzte sie damit unter Druck, daß er ihr sonst nicht helfen würde, eine Arbeit zu finden. Nun arbeitet sie neun Stunden am Tag bei einem Freund des Mannes für 1.000 Mark im Monat. Das Geld geht auf sein Konto. Er sagte ihr, sie müsse erst seine Ausgaben für sie abarbeiten, sonst würde er sie auf die Philippinen zurückschicken. Das ist in diesem Fall auch möglich, es reicht, daß der Mann bei der Ausländerbehörde anruft und sagt: Ich bin nicht mehr mit meiner Frau zusammen. Wenn sie dann nicht vier Jahre zusammengelebt haben, wird sie ausgewiesen.
Was raten Sie dieser Frau?
Sigrun Katins: Wir informieren sie über die Rechtslage. Sie muß dann entscheiden, wie gefährlich es für sie ist, bei dem Mann zu bleiben. Wenn sie in Gefahr ist, bieten wir ihr an, in die Zufluchtswohnung von Ban-Ying zu kommen. Dann nehmen wir Kontakt zu Frauenprojekten in ihrem Herkunftsland auf, damit sie am Flughafen abgeholt wird und ihre Familie informiert wird. Das ist unsere einzige Möglichkeit, sie zu unterstützen. Rechtlich können wir gar nichts machen. Interview: Karin Gabbert
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