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Pakistan hüllt sein Haupt in Scham

Der Anschlag auf die ägyptische Botschaft wird von pakistanischen Politikern verurteilt, das eigentliche Problem sprechen sie jedoch nicht an: die Präsenz islamistischer Organisationen  ■ Aus Delhi Bernard Imhasly

Die pakistanischen Reaktionen auf den Bombenanschlag vom Sonntag auf die ägyptische Botschaft in Islamabad reichen von Bestürzung und Selbstkritik bis zu schamroten Verlegenheitserklärungen. Die Regierung tut sich schwer, mit der Behandlung radikaler Muslime aus islamischen Bruderstaaten. Je nach Bedarf werden sie als Kämpfer des Dschihad, des Heiligen Krieges, gepriesen oder als Terroristen gegeißelt.

Die Reaktionen der Regierung gehen denn auch mit keinem Wort auf die selbsternannten Religionswächter ein, sondern begnügen sich mit Entschuldigungen über die mangelnden Sicherheitsvorkehrungen. Innenminister Babbar, der für seine Kontakte zu der „Dschamaat Islami“ bekannt ist, sagte vor dem Parlament, er „hülle sein Haupt in Scham“. Er war jedoch nicht bereit, auf die Verwicklungen einzugehen, die die zahlreichen islamischen Gruppen mit sich bringen, denen das Land Gastrecht gibt. Selbst Außenminister Sardar Assef Ali, im Gegensatz zu Babbar ein scharfer Kritiker des militanten Islamismus, wagte sich in seiner Erklärung nicht auf dieses diplomatische Minenfeld. Dagegen geht die Landespresse bedeutend kritischer mit der Rolle Pakistans um. Viele Kommentatoren sehen einen der Gründe für den Anschlag in der Unfähigkeit der Regierung, die Hypotheken des Afghanistankriegs aufzulösen.

Mindestens zwei der drei ägyptischen Islamistengruppen, die die Urheberschaft für den Anschlag von Sonntag morgen beanspruchen, sind in Pakistan keine Unbekannten. In den achtziger Jahren besaß die „Gamaat al-Islamiya“ in der Frontstadt Peshawar sogar ein eigenes Büro und genoß den Schutz der lokalen Behörden. Ganz im Sinne Pakistans rekrutierte die Organisation Freiwillige für den Heiligen Krieg gegen die Sowjets in Afghanistan. Der damalige pakistanische Staatschef, General Zia ul-Haq, hatte – mit Zustimmung der USA – dem Krieg gegen die kommunistischen Besatzer des Nachbarstaates eine religiöse Färbung gegeben. Diese Politik zielte nicht nur auf Geld aus den Ölstaaten, sondern war auch Teil seiner Islamisierungspolitik, die gerade in der Armee Abweichungstendenzen und Putschgelüste neutralisieren sollte.

Viele Afghanistankämpfer blieben nach dem Rückzug der Sowjets in Pakistan. Einige von ihnen fanden in Kaschmir ein neues Betätigungsfeld, andere gingen nach Bosnien. Zahlreiche Kämpfer aus dem Maghreb, aus Ägypten und dem Sudan sollen auch in der islamischen Taliban-Miliz Unterschlupf gefunden haben, die derzeit in Afghanistan wütet.

In diesen Konflikten nimmt Pakistan eine zumindest ambivalente Haltung ein. Offiziell verneint die Regierung jede Beteiligung in Kaschmir und Afghanistan, gleichzeitig wird den Kämpfern aber Unterschlupf gewährt. Es ist ein offenes Geheimnis, daß Teile der Armee und des militärischen Geheimdienstes Verbindungen zu diesen Gruppen pflegen. Die kürzliche Verhaftung von 40 Offizieren wegen Waffenhandels für kaschmirische Untergrundkämpfer ist ein Indiz dafür. Symptomatisch ist auch das milde Urteil, das gegen sie ausgesprochen wurde: Sie wurden zwar aus der Armee entlassen, aber auf freien Fuß gesetzt.

Bereits der Vorgänger der derzeitigen Regierungschefin Benazir Bhutto, Nawaz Sharif, hatte sich unter dem Druck islamistischer Parteien nur wenig Mühe gegeben, den in Pakistan operierenden Gruppen das Handwerk zu legen, obwohl arabische Staaten Beweise präsentieren konnten, daß die ehemaligen Afghanistankämpfer inzwischen für den Kampf gegen ihre eigenen Regierungen ausgebildet wurden. Erst als 1993 im New Yorker World Trade Center eine Bombe explodierte und die Spuren zuerst nach Kairo und von dort nach Peshawar führten, geriet das Land unter schärferen internationalen Druck.

Wenn es Nawaz Sharif am Willen mangelte, dem Terror-Export einen Riegel vorzuschieben, so fehlt Benazir Bhutto Durchsetzungskraft. Sie hat mit der Spitze der Militärs zwar eine sachliche Arbeitsbeziehung etablieren können, in den mittleren und unteren Rängen der Armee formierten sich jedoch islamistische Strömungen, die sich der Kontrolle der Regierung entziehen.

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