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Wenn der Wolf kommt ...

... heulen die Jäger. Denn geschossen werden dürfen Wölfe heutzutage nicht mehr. Die Menschen tun es trotzdem. Zu tief ist das alte Märchen von Rotkäppchen und dem bösen Wolf in uns verwurzelt  ■ Von Gabi Trinkaus

Die Zeiten haben sich gewandelt, nicht der Wolf ist des Menschen Feind, sondern der Mensch bedroht den Wolf. Auch wenn Rotkäppchen wie von Imme Dros mittlerweile so umgeschrieben wurde (tabu-Verlag), daß dem Wolf, der vor lauter Einsamkeit mit seinem Spiegelbild im Wasser spricht, das Mitleid der Welt gehört. Es sind die Wolfsforscher, die seinen Rückzug dokumentieren, und manche ergreifen die Chance durch Erzählungen, das Bild des Wolfes in uns zu verändern.

Whitley Strieber beschreibt die Auswirkungen des nuklearen Krieges auf die Natur aus der Sicht eines Wolfes. Die Geschichte spielt in dem Seengebiet von Nordminnesota. Die Hauptfigur des Buches ist Schattenwolf. Er ist größer und stärker als alle anderen seines Rudels. Darum unterwirft er sich dem Leitwolf nicht. Schattenwolf wird zum Einzelgänger bis die Bombe gezündet wird. Er beobachtet alle Veränderungen und beschließt, das Rudel muß sein Gebiet verlassen. Das Rudel will aber nicht. Er besiegt den Leitwolf. Eine Frau und ein Kind schließen sich dem Rudel an. Sie ernähren sich und das Rudel aus gefundenen Konservendosen. Dafür bekommen die Menschen einen festen Platz im Rudel, wenn auch am Ende der Hierarchie. Doch nicht nur Kälte und Hunger sind ein Problem. Bis zum Schluß dieses spannenden Buches mit der ungewöhnlichen Perspektive ist nicht sicher, ob sie aus dem nuklearen Winter herausfinden werden.

Whitley Strieber: Im Schatten des großen Wolfes. Ravensburg, ab 12 Jahre, 7,80 DM.

Die gejagten Jäger

Der Wolf ist in Europa das letzte wilde Tier gewesen, das bei der Ausbeutung der Natur Widerstand leistete. Er beanspruchte die gleichen Beutetiere wie der Mensch. Bei diesem Interessenkonflikt zog er den Kürzeren. Der Jäger war des Jägers Tod. Ein besonders übles Exemplar dieser Menschensorte treffen wir in einem Buch von Melvin Burgess. Mitten in England, nahe einem kleinem Dorf, leben Wölfe. Offiziell sind sie bereits seit fünfhundert Jahren ausgerottet. Die Leute des Dorfes verschweigen es, legen dem Rudel Küchenabfälle hin. Die Überlebensstrategie der Wölfe hat sich ihrer Situation angepaßt. Für Fremde sind sie unsichtbar. Um so dummer, daß der zehnjährige Ben von einem Fremden beim Schießenüben erwischt wird und unüberlegt mit den Wölfen prahlt. Damit beginnt die Jagd. Denn der Fremde war einmal Großwildjäger und hofft berühmt zu werden. Einmal wird in einem Buch stehen, daß er den letzten Wolf Englands erlegt hat. So dezimiert er nach und nach das Rudel. Ben und seine Eltern pflegen die verletzten Tiere, doch den Jäger kann in seiner Entschlossenheit niemand aufhalten. Beim letzten Wolf allerdings wendet sich das Blatt. Aus dem Jäger wird ein Gejagter.

Werner Egli hat sich für sein Wolfsbuch die Rocky Mountains ausgesucht. Der Vulkan Slokan Peak steht kurz vor dem Ausbruch. Die Erde bebt. Der dreizehnjährige Luke, dessen Mutter tot ist, und sein Vater gehen trotzdem auf Elchjagd. Es geht um die Fleischversorgung für ein Jahr. Für Luke ein großer Augenblick. Er darf seinen ersten Elch schießen. Der erlegte Elch bringt kein Glück. Ein Grizzly versucht, das Fleisch zu rauben. Lukes Vater will ihn erschießen, verletzt ihn aber nur. Zusammen mit dem Vater jagt Luke durch Schnee und Eis dem Bär nach. Ihnen folgen die Wölfe. Besonders ein dreibeiniger Außenseiter, der immer dann auftaucht, wenn von Lukes Mutter geredet wird. So erfährt Luke nach und nach die ganze Geschichte über den Tod der Mutter, während die Wölfe sie heulend umkreisen, der Grizzly brüllt und ein Blizzard wütet. Die einfühlsame Vater- Sohn-Geschichte kann sich gegen die etwas überdrehte Dramatik erfolgreich behaupten. Ein Buch wie ein Wildwestfilm von der besseren Sorte.

Melvin Burgess. Die letzten Wölfe. Eine erbarmungslose Jagd. rororo, ab 11 Jahre, 8,90 DM

Werner Egli: Bis ans Ende der Fährte. dtv junior 70159, 8,90 DM.

Mit Wölfen leben

Einen Sommer lang hat Jean Craighead George für ein Forschungsinstitut Wölfe beobachtet. Dem verdanken wir in dieser beeindruckenden Geschichte ungewöhnliche Blicke ins gewöhnliche Wolfsleben. Das 13jährige Eskimomädchen Miyax flieht vor ihrem Kinderehemann. Sie will durch die Tundra nach Point Hope, dem nördlichsten Zipfel Alaskas, marschieren und von dort mit dem Schiff nach San Francisco zu ihrer Brieffreundin in die Zivilisation. Sie verirrt sich in der Tundra. Da die Sonne noch vier Wochen lang nicht untergehen wird, kann sie die Himmelsrichtungen nicht bestimmen. Sie hat große Angst zu verhungern. All ihre Hoffnung richtet sich auf ein Wolfsrudel, das nahe ihrer Höhle lebt. Sie will von den Wölfen aufgenommen werden, an ihren Mahlzeiten teilhaben. Zu all dem beißt sich Miyax durch.

Mit dem Untergang der Sonne und der beginnenden Polarnacht ziehen Miyax und die Wölfe durch Schnee und Eis Richtung Süden. Fast am Ziel erlebt sie, wie vom Hubschrauber aus Jagd auf ihre

Fortsetzung auf Seite 14

Fortsetzung

Wölfe gemacht wird. Sie ist entsetzt, will nicht mehr nach Amerika, auch nicht mehr englisch sprechen. Sie will ein richtiger Eskimo werden. Die Begegnung mit ihrem verschollen geglaubten Vater stürzt sie in tiefe Verzweifelung. Auch er, der große Jäger, ist amerikanisiert und jagt vom Flugzeug aus. Miyax will wieder mit den Wölfen ziehen und weiß doch, daß sie es ihnen nicht gleich tun kann. Eine prosaische Erzählung über das Leben und Überleben in der Natur aus der Zeit, als das Survivaltraining noch nicht per Reisebüro zu buchen war.

Jean Craighead George: Julie von den Wölfen. dtv junior Nr. 7351, ab 12 Jahre, 7,90 DM

Wolfsliebe

Den Wunsch, lieber mit Wölfen zu leben, hat auch Yuchi, ein junger Indianer aus dem Volk der Huronen. Er hat mit dem Wolfswelpen Rawa seine Familie verlassen, weil der Häuptling des Stammes den Wolf töten wollte. Er flieht in ein entferntes Indianerdorf. Dort wird er von den Erwachsenen bewundert, doch die Kinder stehen ihm feindlich gegenüber. Yuchis Jagdglück erweckt Neid. Oft flieht er mit seinem Wolf in den Wald, erinnert sich an seine Kindheit. Als Rawa dem Ruf eines Wolfsrudels nicht widerstehen kann, folgt er ihm durch den tiefverschneiten Wald, dorthin wo die Wölfe heulen. Doch er kann die Menschen nicht verlassen. Beide wissen, daß sie sich trennen müssen.

Elisif Elvinsdotter: Die Zeit des Wolfes. Arena, ab 11, 8,90 DM.

Wolfshaß

Aus Schweden kommt diese klassische Wintergeschichte „Därvarns Reise“ zu uns. Es geht um Eis und Schnee und Robbenjagd, um Liebe, Verzicht und Tod. Die Sprache ist so kalt wie das Land. Große Gefühle passen in spärliche Worte, ohne etwas von ihrer Bedeutung zu verlieren. Eine Votivtafel aus dem 16. Jahrhundert kündet von dem großen Abenteuer. Während der Robbenjagd werden sechzehn Männer und eine Frau auf einer Eisscholle auf die Ostsee hinausgetrieben. Die Scholle bricht auseinander. Därvarn und Kari, beide zum ersten Mal auf Robbenjagd, sind von den anderen isoliert. Sie lieben sich seit ihrer Kindheit. Doch heiraten soll Kari einen reichen Mann. Der junge Därvarn gehört zu den ärmsten und unglücklichsten Färöern. Das Leben mit Kari auf der Eisscholle ist das Beste, was ihm je passiert ist. Angesichts des Todes zählt Liebe mehr als Geld. Ruhig und stark führt er Kari nach vielen Tagen an Land, fern ihrer Heimat. Das Abenteuer ist damit nicht zu Ende. Nationalitätenkonflikte zwischen Dänen und Schweden bedrohen ihr Leben. Wölfe jagen sie. Da sind sie endlich: die Wölfe, die alle unsere Vorurteile bestätigen. Wölfe, die Jagd auf Menschen machen, klug den Starken aus dem Wege gehen, listig wehrlosen Kindern den Weg abschneiden.

Das Abenteuer auf dem Eis endet für Därvan wie er es befürchtete, er verliert Kari. Und doch hat ihr Zusammenleben auf der Eisscholle aus dem ewigen Verlierer einen berühmten, unerschrockenen Robbenjäger gemacht.

Mats Wahl: Därvarns Reise. Hanser, Jugendbuch, 29,80 DM

Rückkehr der Wölfe

Von den Wolfsrudeln der Vergangenheit zurück in die Gegenwart. Leute mit gutem Gedächtnis werden sich erinnern, daß letzten Winter in der Schorfheide nördlich von Berlin drei Hunde erschossen wurden, Wölfe, wie sich später herausstellte. Von diesen Wölfen ist auch in dem Buch von Heike Karl die Rede. Jonas, Sohn eines Försters aus der Schorfheide, verbringt die Sommerferien bei Verwandten auf einer Ranch in Montana. Der Anfang ist schwierig. Tina und Chris, seine gleichaltrigen Cousin und Cousine, können alles besser. Ob Bogenschießen, Angeln, Reiten, immer sind sie überlegen. Auch der Indianer Joe, der auf der Ranch hilft, ist erst mal eine Enttäuschung. Er sieht aus und benimmt sich wie andere Jugendliche auch. Doch erkennt er gleich das erste Wolfsgeheul und weiß in welcher Gefahr die Tiere sind. Schon vor Jahrzehnten hatten die Farmer die Wölfe vertrieben. Schafzucht und Wölfe sind nicht vereinbar. Das war und ist die Meinung der meisten Viehzüchter. Der Indianer und die Kinder versuchen nun, die Wölfe zu retten. Zwischen den Kapiteln ist auf Informationsseiten alles über den Wolf zu erfahren. Das behindert die spannende Geschichte nicht, und man wird doch etwas klüger.

Heike Carl: Die Wölfe kehren zurück. Erika Klopp Verlag, ab 10 Jahre, 19,80 DM. Aus diesem Buch sind sämtliche Abbildungen.

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