: Grundwerk des Erinnerns
■ Neues Gedenkbuch über die jüdischen Opfer des Faschismus
„Michaelis, Herbert, Dr., geb. 3.9.1898 Hamburg, 1933 Gefängnis, 1937 KZ Fuhlsbüttel, 1937-1939 Gefängnis, gest. 14.6.1939 Gefängnis Plötzensee.“ „Landau, Benjamin, geb. 1.5.1893 Lipica Gorna, 28.10.1938 ausgewiesen nach Zbaszyn, 1939-1940 KZ Fuhlsbüttel, deportiert nach Dachau, gest. 31.1.1941 KZ Dachau.“ „Karlsberg, Moses, geb. 26.4.1895 Fränkisch-Crumbach, gest. 23.7.1943 Sobibor.“
Michaelis, Landau und Karlsberg – dies sind nur drei Namen, von 8.877 „Opfern“ der deutschen Judenverfolgung in Hamburg. Gemeinsam ist ihnen, daß ihr „Schicksal“ im bisherigen Gedenkbuch an die jüdischen Opfer des Nationalsozialismus von 1965 gar nicht oder fehlerhaft verzeichnet war. Auch wenn Hamburg das erste Bundesland gewesen ist, das ein derartiges Gedenkbuch veröffentlichte, wies die damals erschienene Dokumentation – zeitbedingt – zahlreiche Mängel auf. Neues Quellenmaterial, die Zusammenarbeit mit der Gedenkstätte Yad Vashem in Israel, den Gedenkstätten in Terezin, Sachsenhausen und Neuengamme sowie spezielle Nachforschungen zu den rund 1.000 Hamburger Juden polnischer Staatsangehörigkeit, die im Oktober 1938 zwangsdeportiert wurden, ergaben, daß die Zahl der bisher namentlich genannten 6.012 Hamburger Opfer um 2.865 Menschen zu niedrig war. Tatsächlich muß die Zahl – inklusive der in osteuropäische Länder emigrierten und dort während der deutschen Besatzung ermordeten Hamburger Juden – auf rund 10.000 geschätzt werden.
Jürgen Sielemann vom Hamburger Staatsarchiv und seinen Mitarbeitern ist für die mehrjährige, überaus sorgfältige Erfassung der Daten zu danken. Zudem dokumentiert das neue Hamburger Gedenkbuch – im Gegensatz zu den meisten anderen – die erfaßten Leidensstationen der „Opfer“.
Im Vorwort schreibt Peter Jaffe von der Jüdischen Gemeinde Hamburg dazu: „Aber es ist tröstlich und bitter zugleich – und der Bitterkeit fügt sich ernster Dank hinzu – daß nun (erneut) andere helfen, das magere, aber so wichtige Grundwerk des Erinnerns, Zahlen und Fakten zusammenzustellen, welche so mancher jüdischen Familie ermöglichen, Spuren zu dokumentieren. Eine Steinsetzung ist das nicht.“
Wilfried Weinke
Hamburger jüdische Opfer des Nationalsozialismus – Gedenkbuch; Veröffentlichungen aus dem Staatsarchiv der Freien und Hansestadt Hamburg, Band XV; bearbeitet von Jürgen Sielemann und Paul Flamme; 33 Mark
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen