piwik no script img

■ StandbildDie LeidensSpirale

„Die GlücksSpirale“, Sonntag, 20.00 Uhr, Sat.1

Eine Stahltür öffnet sich. Nebelschwaden umschmeicheln die Silhouette des neuen GlücksSpiralen-Moderators. Breitbeinig, mit abgespreizten Armen steht er noch eine Weile im dunstigen Dunkel. Dann tritt Kai Pflaume ins Licht. Und es ist, als hätten wir eben dem Moment seiner Erschaffung beigewohnt.

Mit ihm und Sat.1 soll die „GlücksSpirale“ nach 25 Jahren bei der ARD vom gemütlichen, subproletarischen TV-Ereignis mit Schießbudenflair zu einer wilden „Gladiatorenshow“ hochgetunet werden. Diese Renovierung fügt sich in die Strategie des hysterischen Fernsehens, mit der Fred Kogel den entrückten Konkurrenten RTL endlich einholen will.

Kai Pflaume empfiehlt sich hier als Dompteur, der seine Kandidaten bis zur würdelosen Entstellung Mätzchen machen läßt. Da setzt sich Hilde, die eine panische Angst vor Vögeln hat, eine halbe Stunde zu großem Federgetier in einen Zwinger. Auch Sigi „beweist Mut“, als er sich von den Bürsten einer „deutschen Waschstraße“ so richtig durchnehmen läßt. Und Klaus kratzt und windet sich durch etliche Styroporwände, obwohl die Konsistenz dieses Materials und sein haarsträubendes Knirschen ihm seit jeher unerträglich sind.

„Wir machen aus Ihnen Helden“, hatte Pflaume ihnen versprochen. Der innere Schweinehund soll von der Kette gelassen, Panik, Phobien, Ekel und herzzerreißende Verzweiflung zu Markte getragen werden. Dafür gibt es am Ende für die meisten nicht einmal die 77.777 DM, sondern Heimwerkerbank oder Fitneßgerät – und eine Narrenkappe obendrauf.

Hoch über dem ganzen Tombola-Spektakel thront ein unantastbarer Kai Pflaume und läßt seine Kandidaten wie glanzlose, kleine Planeten um die eigene Showmastersonne kreisen. Neben ihm muß Hilde, den Rücken von Vögeln beschissen, die Frisur vom Angstschweiß ruiniert, einfach erbärmlich aussehen. Und wenn der Unberührbare die Schmuddelige mit „jetzt sehen wir erst mal, was Hilde gelitten hat“, erlöst, klingt das nicht mal grausam, sondern noch irgendwie anständig. Und so beschleicht uns bald die gruselige Vermutung, daß es Kai Pflaume gar nicht wirklich gibt. Ein geklonter Moderator aus Kogels Sat.1-Unterhaltungsabteilung, geschaffen, um uns weiszumachen, daß in Kogels Labor die Fernsehzukunft schon heute gemacht wird. Birgit Glombitza

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen