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Schulreform: Putzen und sparen lernen

Demokratische Erziehung kann bedeuten, daß Berliner SchülerInnen ihre Klassenräume bald selbst sauberhalten. Die bündnisgrüne Bildungspolitikerin Sybille Volkholz entwirft ein schlankes Unterrichtsmodell  ■ Von Michaela Eck

Die Zeiten für Reformen sind schlecht. Doch Not macht erfinderisch und treibt mitunter aber auch seltsame Blüten: So machte die Berliner Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) jüngst den Vorschlag, 10.000 angestellte LehrerInnen vor allem im Ostteil der Stadt schnellstens zu verbeamten. Das Land könne damit jährlich 40 Millionen Mark sparen, rechnete der Berliner GEW-Chef, Erhard Laube vor: ein Vorschlag am Rande der Seriosität.

Wie soll es weitergehen mit der Berliner Schule? Einerseits ist die Haushaltslage der Stadt mit 51,1 Milliarden Schulden im nächsten Jahr mörderisch. „Tabus wird es keine mehr geben“, verkündete kürzlich der Regierende Bürgermeister Eberhard Diepgen (CDU). Kein Bereich werde vom Sparen verschont bleiben.

Doch in den Schulen ist das Barometer gefährlich gefallen. Die Stimmung bei Eltern, SchülerInnen und LehrerInnen ist auf dem Nullpunkt angelangt. Allgemeiner Stellenstopp, Unterrichtsausfall, überalterte Kollegien, demotivierte und randalierende SchülerInnen, eine starre, unflexible, bürgerferne und aufgeblähte Bürokratie, die auf Veränderungen in der Schule nur im Schneckentempo oder gar nicht reagiert – kurzum: Die Schule steckt fest und droht im Morast zu ersticken. Ohne eine kräftige Finanzspritze scheint dieser frustierte und in seinen Idealen abgemagerte Torso nicht mehr zu Kräften zu kommen. Doch angesichts der Haushaltslage ist klar: Mehr Geld für VertretungslehrerInnen und zusätzliche Lehrkräfte wird es künftig sicher nicht geben.

Mit welchen konkreten Sparmaßnahmen die Schule jedoch belegt wird, ist noch unklar. Ob Stellen gestrichen, Klassen größer werden, PädagogInnen bald einige Stunden mehr arbeiten müssen, ob sämtliche „Ermäßigungstatbestände“, sprich Freistellungen für KlassenlehrerInnen und SchulleiterInnen, gestrichen werden oder ob gar die Stundentafel für die Schüler und Schülerinnen noch weiter reduziert wird, ist erst geklärt, wenn die neue Berliner Regierung gebildet ist und die Abgeordneten die Marschroute bestimmt haben.

Gerade erst hat die Senatsschulverwaltung sämtliche Schulposten aus allen 23 Bezirkshaushalten herausgelöst und in einer Liste zusammengestellt. Diese liegt dem Finanzsenator jetzt zur Ansicht und Prüfung vor. Die Schultitel werden in Personal- und Gebäudekosten getrennt geführt. Das Landesschulamt (LSA) ist zuständig für die Bezahlung der rund 40.000 in der Schule beschäftigten Lehrer- und ErzieherInnen. Wartung und Betrieb, Renovierung und Instandhaltung der Schulgebäude sowie deren Neubau und die Bezahlung von Sekretärinnen und Hausmeistern obliegt weiterhin den einzelnen Bezirken.

Was die Schule jetzt brauche, sei ein vollkommen neuer Ansatz und die grundsätzliche Veränderung des Lernens, findet die bündnisgrüne Bildungspolitikerin Sybille Volkholz und startet einen ersten gedanklichen Vorstoß für eine grundlegende Berliner Schulreform. „Wir brauchen die Lüftung der pädagogischen Gehirne, die immer noch glauben, eine Bildungsreform sei zwangsläufig an mehr Geld geknüpft“, so Sybille Volkholz. Die Schule müsse künftig mit dem, was sie habe, oder sogar mit noch weniger Geld auskommen. Eine Diskussion aber über die Erhöhung der Lehrerarbeitszeit oder einer Vergrößerung der Klassen sei angesichts der vom Frust beherrschten Schulsituation und auch der veränderten Lebensbedingungen der Kinder ein Schuß vor den Bug, der das Schulschiff garantiert sinken lasse. Die Schule müsse – so wie es auch die Expertenkommission in Nordrhein- Westfalen festlegte – zu einem „Haus des Lernens“ werden. Eine „andere Schule“ sei nicht unbedingt eine Frage der Finanzen, sondern erfordere eine Diskussion über eine andere Rolle der ErzieherInnen. Die Reform könne ohne zusätzliche Haushaltsmittel realisiert werden.

Allein für Schul- und Kita-Neubauten gibt das Land jährlich mehr als eine halbe Milliarde Mark aus. Das ist ein Drittel aller Gebäudeneubaumaßnahmen dieser Stadt. „Hier kann man einiges sparen“, so Volkholz, denn die Baukosten für Schulen seien durch die Verfilzung der Bauwirtschaft viel zu hoch. Luxus am Bau? Davon werde der Unterricht nicht besser. Auch in anderen Bereichen gebe es pädagogisch sinnvolle Sparmaßnahmen. Dafür müßten jedoch sämtliche Ausgaben, Personal-, Sach- und Gebäudekosten, akribisch untersucht werden.

Mit einer Kosten-Nutzen-Rechnung für jede einzelnen Schule will Volkholz beispielsweise auf einen Blick feststellen, wieviel Geld Strom, Wasser, Renovierungsarbeiten, Instandhaltung, Müllentsorgung und Reinigung kosten. Warum sollten die Schüler und Schülerinnen nicht selbst ihre Schule sauberhalten? Der Lerneffekt sei garantiert: „Sie werden sich mit ihrer Schule identifizieren und lernen, daß nicht immer jemand hinter ihnen herräumt und saubermacht.“ Oder: Warum müssen im Winter die Klassenzimmer auf 26 Grad Celsius erhitzt werden? Nach der ersten Stunde verfielen die SchülerInnen garantiert in Tiefschlaf. Eine Schule in Unna habe beispielsweise im Rahmen eines Ökologieprojektes ihre Müllkosten von 93.000 Mark im Jahr auf jährlich 33.000 reduziert. Hier seien enorme Summen einzusparen, ohne den Unterricht selbst zu berühren, betont Sybille Volkholz. Damit eine solche Umgestaltung aber auch funktioniere, müßten die LehrerInnen eine andere Rolle lernen. „Wir müssen weg von den unflexiblen 45-Minuten-Zeittakt- Stunden, von der starren Einteilung der Pflichtstunden, nach denen ja auch die LehrerInnen-Arbeitszeit berechnet wird.“ Es müsse überlegt werden, ob Stundenvorbereitungen und Korrekturen nicht auch im Team gelöst werden könnten. Die Arbeitszeit brauchte sich dann nicht mehr an den starren Pflichtstunden zu orientieren, sondern könnte „raumdeckend“ abgerechnet werden. Denn pädagogische Arbeit sei ohnehin mehr als nur Unterricht. Der größte Teil der Arbeitszeit müßte in die Schule verlagert werden – weg von dem individualisierten Arbeiten zu Hause. Neben der Zuweisung einer Globalsumme sollte die einzelne Schule zur eigenständigen Planung und Schwerpunktsetzung auch über ein Zeitbudget ihrer Lehrkräfte verfügen können, etwa in Form fester Anwesenheitszeiten. Die Schule müsse eine kleine, selbständige Einheit werden, die im Rahmen eines Unterrichts-, Betreuungs-, Beratungs- und Projektprogramms für Eltern, LehrerInnen und SchülerInnen verläßliche Schulschlußzeiten anbiete. Das sei keine Arbeitszeitverlängerung durch die Hintertür, betont Sybille Volkholz, sondern eine grundlegende Veränderung. Besonders Lehrerinnen und Lehrer müßten jedoch für eine solche Reform erheblich umdenken. Auch die Veränderung der Arbeitszeit, die seit über hundert Jahren in Unterrichtspflichtstunden festgelegt sei, ist nicht von heute auf morgen zu erreichen. Ob diese Veränderung akzeptiert werde, so Volkholz, werde wesentlich davon abhängen, ob es gelinge, Schulen zu finden, die als Versuchsschulen bereit sind, solche neuen Formen zu erproben. Bei aller Finanznot aber müsse es möglich sein, die Schule zu verändern, lautet ihr Appell, in den Diskussionsprozeß einzusteigen.

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