piwik no script img

Auf der Suche nach dem Rotstift

■ Kaum Konzepte für die Umsetzung der Sparbeschlüsse in den Verwaltungen

Einen Tag nach dem verordneten Sparhammer im Baubereich von 470 Millionen Mark im Jahr 1996 gibt es noch kein Konzept zur Umsetzung der Sparszenarien. Unklar ist, welche Projekte in den Entwicklungsgebieten Karow- Nord, Wasserstadt Oberhavel, Rummelsburger Bucht oder an der Eldenaer Straße gekippt oder gestreckt werden. Ebenfalls noch nicht sicher sind die direkten Einschnitte von 131 Millionen Mark bei der großangelegten Plattensanierung und den Instandsetzungsprogrammen von Bauten im Ostteil der Stadt.

Im Hause des Bausenators werde „jetzt begonnen, über Einsparprojekte zu beraten“, sagte Petra Reetz, Sprecherin von Jürgen Klemann. „Angefangene Baumaßnahmen“ würden nicht angetastet. Bei Projekten mit bereits geschlossenen Bauverträgen werde geprüft, „ob es Sinn macht, eine Vertragsstrafe zu bezahlen“. Die Einsparmöglichkeiten müßten mit den einzelnen Bauträgern und Entwicklungsgesellschaften verabredet werden.

Die bestehen aber auf ihren Verträgen und Planungen. „Bei uns kann nichts eingespart werden“, sagte Constantin Relinger, Sprecher von Arge-Karow-Nord. Außerdem bestünde ein städtebaulicher Vertrag zwischen dem Land Berlin und der Arge. Noch in diesem Jahr müßten 2.000 Wohnungen „bezugsreif“ für Mieter gebaut werden.

Bei den Entwicklungsträgern Rummelsburger Bucht und Eldenaer Straße will man nicht, daß durch die Streichung von Quartieren eine „eigentlich komplette Planung“ den Standort zerfasert, so Bernd Cronjäger, Geschäftsführer vom Entwicklungsträger Rummelsburger Bucht. Auf keinen Fall dürfe zugelassen werden, die geplante Dichte von Wohn- und Geschäftsbauten „herunterzufahren“. Gefahren für das Stadtentwicklungsprogramm sieht Rudolf Kellermann vom Entwicklungsträger Eldenaer Straße. Dort könnte der Verzicht auf Sozialwohnungen und der Bau ausschließlich freifinanzierter Objekte die angestrebte soziale Mischung verhindern.

Die Kürzungen im Sozialbereich werden vor allem die freien Träger hart treffen. Ihre Senatszuschüsse werden in diesem Jahr um 35 Millionen gekürzt. Dies sind 25 Prozent der gesamten Zuwendungen. Die Sozialstationen werden auf 14 Millionen Mark Betriebszuschüsse des Senats verzichten müssen. Wie die Einrichtungen dies auffangen wollen, war bis Redaktionsschluß nicht in Erfahrung zu bringen.

Auch Nachbarschaftsheime müssen insgesamt mit einer halben Million weniger auskommen. Der Etat der Ausländerbeauftragten Barbara John wird um zehn Prozent auf 800.000 Mark gekürzt. „Künftig sollen mit freien Trägern dreijährige Verträge abgeschlossen werden, um Planungssicherheit zu gewährleisten“, erklärte Gabriele Lukas, die Sprecherin von Sozialsenatorin Beate Hübner (CDU). Auf Wunsch des Senats soll auch geprüft werden, ob die Verwaltung bei Sozialhilfeempfängern statt Kleiderpauschalen wieder zur Einzelbewilligung zurückkehren solle.

Mal hü, mal hott ist das Motto in der Hochschulmedizin. Infolge der Fusion der Unikliniken Virchow und Charité mußte die vorklinische Ausbildung an der Freien Universität erst halbiert werden. Jetzt wird sie wieder aufgebaut, weil auch die Charité-Studenten künftig hier ihre theoretische Ausbildung bekommen sollen.

Der bündnisgrüne Gesundheitsexperte Bernd Köppl schätzte, daß die Zusammenlegung der vorklinischen Ausbildung eine Ersparnis von 10 bis 15 Millionen bringt. Die drei Universitätskliniken müssen in diesem Jahr insgesamt 90 Millionen einsparen. Die Sparvorgaben soll eine Wirtschafts- und Finanzkommission beschließen, in der Vertreter der Unikliniken, des Senats und Abgeordnete sitzen. Dorothee Winden/rola

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen