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Fußballverrückt und unpolitisch

■ Feindbilder prägen die Berichterstattung und die Sichtweisen der Rostocker Fans vor dem Spiel St. Pauli gegen Hansa Von Rainer Schäfer

Gemocht haben sie sich noch nie, die Fans des FC Hansa Rostock und die des FC St. Pauli. Schon zu DDR-Zeiten zog es viele Hansa-Anhänger zum HSV, dessen St. Pauli-Antipathie nach der Vereinigung gleich mitübernommen wurde. Die schlechte Beziehung eskalierte nach der letzten Begegnung in Rostock – pogromartig fühlten sich St. Pauli-Fans unter dem Beifall der Rostocker Bürger verfolgt. Seitdem ist die Geduld bei den meisten St. Paulianern restlos erschöpft – das Feindbild trägt scharfe Konturen.

In Rostock ist man dagegen überzeugt, daß die Rechtsextremisten, die die Hamburger Fans bedrohten, keine Hansa-Anhänger sind, sondern eigens zu diesem Spiel anreisten. „Die sieht man sonst das ganze Jahr nicht“, meint Dirk Harten, Mitarbeiter beim linken Rostocker Fußball-Fanzine Frösi. Das Hansa-Fan-Projekt, in dem rund 250 Mitglieder organisiert sind, geht noch weiter. Die St. Pauli-Fans hätten selbst schuld: „Die locken doch die Rechten ins Stadion.“ Die eigentlichen Konflikte entstünden durch Randgruppen, die politische Inhalte transportieren. „Es wird Zeit, daß sich die wahren Fußballfans das Spiel zurückholen“, so das Fan-Projekt.

Eines steht für die Rostocker Fan-Gemeinschaft außer Frage: Fußball und Politik haben nichts miteinander zu tun: „Wir wollen Fußballfeste feiern“, bekräftigt Peter Schmidt, Fan-Beauftragter des Vereins: „Politische Äußerungen haben im Stadion nichts zu suchen, weder von links noch von rechts.“ Statt dessen siedelt man sich in der sicheren Mitte an. Und tut so, als ob die unpolitisch wäre.

Stolz ist man auf Henry Maske und auf den eigenen Club, die in einer wirtschaftlich schwachen Region für ein Stück (Ost-)Identität einstehen. Fußball zählt in Rostock viel, St. Pauli dagegen dominiere die Politik und dabei „tritt der Sport unnormal in den Hintergrund.“ Schlimmer noch: „Ostfeindlich“ seien die überheblichen St. Pauli-Fans, klagt das Hansa-Fan-Projekt. „Missionieren“ wolle man den einzigen östlichen Bundesligaclub, „das nervt total.“

Die Rostocker Fans fühlen sich stigmatisiert, pauschal würden sie seit den ausländerfeindlichen Ausschreitungen in Rostock-Lichtenhagen in die rechtsextreme Ecke gedrängt: „Am liebsten würden die St. Pauli-Fans doch sehen, wenn wir statt dem Greif in unserer Vereinsfahne das Hakenkreuz hätten.“

Die vorhandenen Images werden in vielen Medien verfestigt, „Rostock: St. Paulis Horror“ oder „Feindspiel“ lauten die Überschriften. „Wenn St. Pauli-Fans mit Geld auf Otto Rehhagel werfen, sind es die lustigen, etwas anderen Fans. Wenn das Hansa-Fans tun würden, hieße es, rechtsradikale Rostocker werfen mit alten Reichsmarkstücken“, erklärt Hansa-Fan Boulette die mediale Effekthascherei, die eine Entspannung des Verhältnisses zusätzlich erschwert.

„Man haßt sich noch ein bißchen mehr“, schrieb das Fanzine Frösi nach dem letzten Spiel. Dirk Harten, erklärter Hansa- und St. Pauli-Fan, sieht derzeit keine Möglichkeit der Annäherung: „Die Kommunikationsbereitschaft der St. Pauli-Fans hat rapide abgenommen.“ Was erwartet die Rostocker am Sonntag? „Die St. Paulianer werden Hatz auf uns machen.“

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