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Major treibt EU in den Wahnsinn

■ Britischer Premier stoppt Exportverbot für Rinder. Brandenburg läßt schlachten. Ähnliche Seuche in USA

Brüssel/Dublin (taz) – Der englische Premierminister John Major ließ die Muskeln spielen, und die EU-Kommission kuschte. Das am Montag abend verkündete weltweite Exportverbot für britische Rinder wegen der Rinderseuche wurde auf Eis gelegt. Ein endgültiger Beschluß über die EU-Maßnahmen wird heute von der Kommission erwartet.

Am Montag abend schien alles klar: Agrarkommissar Fischler verkündete ein völliges Exportverbot für britische Rinder und jegliche Produkte, die Rinderbestandteile enthalten. Doch kaum erklärt, war die Nachricht schon veraltet. Der britische Premierminister John Major hatte sofort zum Telefon gegriffen und bei Kommissionspräsident Jacques Santer gegen die geplanten Maßnahmen protestiert.

Sein Argument: Es gebe neue wissenschaftliche Erkenntnisse. Warum diese nicht schon am Montag vorgebracht worden waren, konnte gestern niemand erklären. Bei der Sitzung des Veterinärausschusses hatten sich die Mitgliedsstaaten mit 14 zu 1 Stimmen für das Exportverbot ausgesprochen.

Doch Kommissionspräsident Jacques Santer ließ sich auf das Spielchen ein und versprach, den Briten Gehör zu geben. Gestern reisten deshalb die Mitglieder des Veterinärausschusses erneut nach Brüssel. Um weitere Peinlichkeiten zu vermeiden, reduzierte die Kommission ihre Informationspolitik auf Null. Vertuschen wollte man auch, daß am Montag abend auch die beiden formell unabhängigen britischen Kommissare Leon Brittan und Neil Kinnock interveniert hatten. Indem sie ihre Unterschrift verweigerten, verhinderten sie, daß das Exportverbot im Eilverfahren in Kraft gesetzt werden konnte. Bei der heutigen Kommissionssitzung können die Briten überstimmt werden, es genügt eine einfache Mehrheit.

Inzwischen ist bekanntgeworden, daß zwei weitere Menschen an dem neuen Creutzfeldt-Jakob-Syndrom gestorben sind, der nach Meinung britischer Wissenschaftler von BSE-infizierten Rindern auf Menschen übertragen wird. Professor John Pattison vom Beratungsausschuß der britischen Regierung machte zu den beiden Fällen bisher keine Angaben. Immer deutlicher werden jedoch die Meinungsverschiedenheiten zwischen den Politikern und den Wissenschaftlern in diesem Ausschuß.

In Brandenburg hat die Landesregierung gestern aus Angst vor BSE-verseuchten Rindern die Notschlachtung von 49 Galloway-Rindern angeordnet, deren Herkunft nicht zweifelsfrei geklärt werden konnte. Es soll sich um eine reine Vorsichtsmaßnahme handeln – in Brandenburg hat es noch keinen Fall von BSE gegeben.

In Frankreich leitete die Staatsanwaltschaft ein Ermittlungsverfahren ein: Zehntausende englischer Kälber sollen illegal durch Frankreich geschleust worden sein, die Herkunft der Kälber sollte verschleiert werden. Unterdessen warnte der US-Umweltexperte und frühere Rinderfarmer Howard Lyman vor einer ähnlichen Seuche für sein Land. In den USA gebe es zwar kein BSE, dafür aber das Downer Cow Syndrome (DCS). Rund 100.000 Rinder sterben daran im Jahr. Wissenschaftler haben vor kurzem einen Zusammenhang zwischen DCS und einer BSE-ähnlichen Enzephalopathie festgestellt – die erkrankten Rinder werden zu Tierkörpermehl zermahlen und an andere Kühe verfüttert. Nerze, die bei Laborversuchen mit diesem Tierkörpermehl gefüttert wurden, haben BSE bekommen. Hirngewebe dieser Nerze hat man dann Kühen injiziert: Anderthalb Jahre später sind diese Versuchskühe gestorben. Christian Rath/

Ralf Sotscheck Seite 10

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