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Schwarzer Holocaust, weiße Retter

Rassismus und Neo-Kolonialismus im Afrika-Bild deutscher Medien

„Bevor Charles Taylor den Bürgerkrieg in Liberia entfachte, ließ er einen Bauern töten und trank von dessen Blut. Auf diese Weise mit der Macht der Dschungelgeister verbunden, ließ Taylor seine Rebellen genau am Heiligabend 1989 von Stützpunkten in der Elfenbeinküste aus nach Liberia einfallen.“ So begann ein Artikel zum Bürgerkrieg im westafrikanischen Liberia im Hamburger Abendblatt vom 12. April 1996. Und in diesem Stil geht es weiter: „Sklaverei und Kannibalismus sind die Wegmarken dieses Kampfes.“

Diese Art der Berichterstattung –der Katastrophen-Voyeurismus – kennzeichnet nicht nur „konservative“ Blätter zum Thema Afrika. Klischees und Vorurteile, die das Bild Afrikas in Europa seit Beginn des imperialistischen Zeitalters prägen. Dem Afrika-Bild im Spiegel hat Media Watch, eine Initiative zur Beobachtung des Nord-Süd-Konfliktes, bereits eine ganze Broschüre gewidmet. Negativ aufgefallen war der Spiegel Ende 1992 mit seiner Titel-Story „Ein schwarzer Holocaust“, Untertitel: „Rettung durch die Weißen?“

Der Hauptartikel begann so: „Krieg, Hunger, Aids - eine ununterbrochene Folge von Tragödien sucht Afrika heim, die einzige Region der Welt mit ständig schrumpfender Wirtschaftskraft.“ Immerhin, die Spiegel-Kollegen haben es verstanden, die ganze Dimension eines Themas - hier: eines Kontinents - in diesen einen Satz zu packen. Und es steckt alles darin, was viele Berichte über schwarze Menschen und den afrikanischen Kontinent kennzeichnet. Völlig ausgeblendet bleiben positive Entwicklungen, die es seit Anfang der 90er Jahre zuhauf gibt.

Für den Mainstream der deutschen Medien scheint Afrika allerdings nur aus Liberia, Somalia, Ruanda und Burundi zu bestehen. Südafrika gehört schon nicht mehr hierher, denn da haben – wirtschaftlich gesehen – immer noch „die Weißen“ das Sagen. Diese besondere Sicht Südafrikas weist auf den eigentlichen Kern des Problems, der ein rassistischer ist. Dankenswerter Weise hat der Spiegel dies in seinem Titel von 1992 so deutlich hervorgehoben, wie man es sich sonst selten traut. Der „schwarze“ Holocaust wird dem „weißen“ Retter gegenübergestellt. Pervers ist eine solche Sicht besonders vor dem Hintergrund, daß die Verbrechen, die sonst mit dem Wort „Holocaust“ bezeichnet werden, unzweifelhaft das Werk von „Weißen“ waren.

Ein jüngeres Beispiel für den unsensiblen Umgang mit dem Thema Afrika ist die ZDF-Reihe „Die Zukunft ist schwarz“ vom Sommer 1994. Auch hier sah sich Media Watch zu harten Kritiken gezwungen. Einer der Beiträge wurde sogar stellvertretend für die „herausragende Leistung“ der Reihe mit dem Journalistenpreis Entwicklungspolitik 1994 ausgezeichnet; Stifter ist das Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit. Bei dem prämierten Beitrag handelt es sich um den Film „Weißer Mann, komm wieder!“ von Albrecht Heise.

Eine bezeichnende Kostprobe vom Anfang des Films: „Tief im Innern des Kontinents sind wir auf der Suche nach dem Schlüssel zur Rettung Afrikas. Wir sind in Zaire unterwegs, zwischen Kongo und Sankuru, im Stammesgebiet der Tetela, die zum Volk der Mongo gehören. Es könnte auch die Heimat eines anderen Volkes sein, irgendeine andere kleine Kolonialstadt, in der vor über 30 Jahren die Uhren nicht etwa stehen geblieben sind, nein, wo sie seit der Unabhängigkeit rückwärts gehen.“

In diesem Stil geht es zunächst weiter. Der Tenor: Die Kolonialzeit war gut, die Infrastruktur funktionierte (ausgerechnet im früheren Belgisch-Kongo, der ausgebeutet wurde wie kaum eine andere Kolonie). Heute falle den Afrikanern nichts anderes ein, als ausgerechnet nach der Rückkehr der Weißen zu rufen.

Dann bemüht sich Heise um ein Gegengewicht und zeigt Beispiele von Selbsthilfe, die das Bild des „handaufhaltenden Negers“ konterkarieren. Hier hat der Film tatsächlich Stärken. Die wenigen positiven Züge werden jedoch von Heises Schlußbemerkung überlagert, in der er die Regierungen des Westens auffordert, „das Ende des Schwarzen Kolonialismus, das Selbstbestimmungsrecht der Völker Afrikas zu verlangen und notfalls durchzusetzen. Sonst werden wir bald immer häufiger nach Afrika gerufen, und immer häufiger werden dann wir für die Afrikaner nicht mehr tun können, als ihnen Massengräber zu schaufeln.“ Auch hier: produzierte Bilder, Vorurteile.

Der so oft kritisierte Spiegel hat übrigens selbst vorgeführt, daß es auch anders geht. Im Oktober 1994 berichtete er unter der Überschrift „Vorwärts zur Tradition“ über die phantasiereichen Versuche von AfrikanerInnen, sich mit Eigenini-tiativen im sogenannten informellen Sektor über Wasser zu halten. Das Fazit von Media Watch: „Im Vergleich zu früheren Berichten über Afrika bringt der jüngste Beitrag eine differenzierte Erklärung von Krisen in verschiedenen Ländern Afrikas und stellt eigenständige Lösungsansätze durch afrikanische Organisationen und Initiativen vor. Er basiert erfreulicherweise weitgehend auf afrikanischen Quellen.“

Thomas Mösch

Der Autor ist freier Journalist in Hamburg und Mitarbeiter derIni-tiative Media Watch.

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