: Keine Fragen an Gott
■ Schweigen für den Aufstieg oder: St. Pauli-Dynamo Bernd Hollerbach hält Kontakt zu seinen Fans
Donnerstag war ein anstrengender Tag für Bernd Hollerbach. Nach Training und Laktattest stellte sich St. Paulis Mittelfeld-Dynamo im Fanladen den Fragen der Fans. Keine muntere Fragestunde, Schweigen für den Aufstieg wäre wohl die passendere Bezeichnung. Nur zwei Fußballklugscheißer so um die 40 schulterklopfen ihren „Holler“ kameradschaftlich und diskutieren mit ihm sehr spezielle Fragestellungen über Spiele oder Trainingseinheiten vergangener Jahre.
Ganz anders die schüchternen Jungfans. Haltsuchend umklammern sie die Bierpulle, den direkten Blickkontakt mit „Holler“ meidend, doch um seine Nähe wissend und deshalb ein wenig errötend. „Hier, unterschreib mal, für Jens“, jetzt ist es raus. „Holler“ ist erleichtert, auf diese Weise schwierigen Fragen zu entkommen. Signieren, das kann er, das will er, deshalb ist er gekommen und die Fans ja sowieso. Der Star wird ruckzuck in ein Dienstleistungsverhältnis gedrängt, und schon werden die Fans selbstbewußt und stellen sogar Ansprüche: „Aber nicht bloß den Namen, der Klaus z.B. hat einen Werner gemalt.“ „Holler“ malt einen Ottifanten. Auch gut.
Zwischendurch delikates Fußballerphrasengedresche der Marke: „Letztlich muß der Trainer entscheiden“ und „Erfolg ist immer relativ“.
Plötzlich aber doch ein ernstes Thema. Eine Frau traut sich nach langem Rumgedruckse endlich, ihre Frage loszuwerden. Was man denn als Spieler gegen Rechtsradikalismus in den Stadien machen könne, murmelt sie in den verrauchten Raum. „Nicht viel“, glaubt „Holler“, denn „Chaoten gibt es überall“, und außerdem werden „die Ausländer immer mehr akzeptiert“. Und mit einem relativistischen Anschluß, der klar macht, daß „Holler“ nicht aus Hamburg kommt, beendet er dieses Thema: „Die vielen Kampagnen, wo gemacht wurden, waren gut.“
Die Fans nicken, die Jungs rauchen noch eine, die Mädchen kichern und der Fußballklugscheißer, der „Holler“ inzwischen beinahe auf dem Schoß sitzt, läßt sich das fünfte Autogramm geben, auf einer Zigarettenschachtel. Ansonsten wieder Schweigen. „Man traut sich eben nicht“, wie es ein weiblicher Fan formuliert, „den eigenen Gott was zu fragen.“
Benjamin v. Stuckrad-Barre
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