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„Ich lasse mich mit Geld nicht ködern“

■ Andreas Graf von Bernstorff (53) über seinen Widerstand gegen das Atomendlager

taz: Sie sind als Großgrundbesitzer die Schlüsselfigur im Gorleben-Streit. Sind Sie Atomgegner?

Andreas Graf von Bernstorff: Als ich mit dieser Frage erstmals konfrontiert wurde, war ich kein engagierter Atomkraftgegner. Ich habe zunächst mal gesehen, daß mein Grund und Boden in großem Umfang betroffen ist und daß sich künftig riesige Umwälzungen abspielen würden. Dann wurde ich mit der Zeit doch ein Gegner, wenn auch kein fanatischer. Ich sehe meine Rolle eher darin, mich dafür einzusetzen, daß in Prozessen geklärt wird, ob meine kritische Position richtig ist und ob der Betrieb der Atomanlagen den Interessen der Bevölkerung entgegenläuft.

Wie paßte das mit Ihrer damaligen CDU-Mitgliedschaft zusammen?

Ein besonders engagiertes CDU-Mitglied bin ich nie gewesen, da bin ich vielleicht auch so ein bißchen reingerutscht. Ich wurde wegen meiner Haltung zu Gorleben 1978 aus der Partei ausgeschlossen. Außerdem war ich damals in eine Unabhängige Wählergemeinschaft eingetreten, die das Ziel hatte, die Gorleben-Projekte zu bekämpfen.

Welche Gründe hatten Sie?

Ich finde es sehr dubios, wie die Atomenergie etabliert wird. Das geht offenbar nur in Gemeinden, die mit viel Geld korrumpiert werden. Man sieht es am Beispiel Gorleben. Das kann ja wohl nicht mit rechten Dingen zugehen: Wenn die Atomenergie wirklich nötig ist, dann muß man sich nicht solcher fragwürdiger Mittel bedienen. Ich kann mich jedenfalls nicht mit denen solidarisieren, die sich durch diese Art von Korruption ködern lassen. Deshalb gebe ich meine Grundstücke nicht her.

Verwunderlich ist doch, daß bisher 1,5 Milliarden Mark in die Endlagererkundungen geflossen sind und anschließend erst festgestellt wird, daß die Rechte am Salzstock gar nicht geklärt sind. Gab es ein Signal von Ihnen, daß sie vielleicht doch verkaufen?

Die Atomlobby ist sicher davon überzeugt, den Salzstock in die Hand zu kriegen. Die haben mich natürlich ein paarmal angesprochen, aber ich kann mich nicht erinnern, daß sich irgendwelche Vorstandsmitglieder bei mir angemeldet und gesagt hätten, jetzt versuchen wir mal, mit allen Mitteln an diese Salzrechte heranzukommen. Im letzten Prozeß ging es darum, ob sie die rechtlichen Grundlagen haben, das Erkundungsbergwerk auszubauen. Zwar wurden auch die Möglichkeiten erörtert, an meine Salzrechte heranzukommen, jedoch ohne konkrete Hinweise auf eine Enteignung. Schon die früheren Prozesse verliefen nach dem Motto: Jetzt sind die Salzabbaurechte des Grafen Bernstorff noch nicht berührt – aber wenn das mal soweit ist, dann muß man damit rechnen, daß das Bergwerk mit diesen Rechten gestoppt werden kann.

Seit dem Bundesverwaltungsgerichtsbeschluß vom November 1995 wird aber weiter erkundet.

Die Schächte sind fast fertig, und jetzt wird ein Querstollen zwischen die beiden Erkundungsschächte getrieben. Die Salzabbaurechte gehören den Atommanagern in diesem Bereich in Richtung Elbe. Aber in der anderen Richtung können sie erst mal nichts machen, es sei denn, daß sie mich in Kürze enteignen. Nach einem Gutachten des Landes Niedersachsen ist eine Enteignung für diesen Zweck mit dem Bundesberggesetz nicht möglich. Nun wird der Bund mit allen Mitteln versuchen, dies zu erzwingen.

Warum stellen Sie sich quer?

Erstens ist das eine irreversible Geschichte, wenn man Atommüll einlagert. Das ist eine wahnsinnige Verantwortung, die ich für meinen Teil nicht mittragen kann. Das zweite ist, daß ich fest davon überzeugt bin, daß der Salzstock nichts taugt. Es ist wissenschaftlich geklärt, daß gerade Gorleben große Probleme aufweist. Man hat den Salzstock ausgewählt, weil sich das hier politisch so ausnehmend günstig darstellte, in dieser Ecke, wo kein Mensch wohnte.

Umweltministerin Merkel hält den Salzstock nach wie vor für geeignet.

Das behauptet die einfach. Die sagen alle: „Vor der Hacke ist es dunkel.“ Das heißt, bevor wir nicht wissen, wie es im Salzstock wirklich aussieht, gibt es keinen Grund, ihn abzulehnen. Außerdem wird der Druck immer größer. Wenn der Notstand mit dem Müll zunimmt, kommen die Menschen schnell zu der Einstellung: Nach uns die Sintflut.

Was haben die Prozesse Sie bisher gekostet?

Ich habe selbst noch nicht so viel ausgegeben – das kann und will ich auch nicht. Bisher lief der juristische Widerstand als Solidaraktion. Ich zahle monatlich 400 Mark in den Fonds der Rechtshilfegruppe Gorleben. Aber in Zukunft wird das ein Problem, weil auch teure Prozesse gegen die Pilotkonditionierungsanlage und das Zwischenlager geführt werden. Das Endlager bleibt wohl an mir hängen. Ich werde bald mit einem Vorschlag herauskommen, um die Atomgegner zur finanziellen Mithilfe zu motivieren. Wenn man sich überlegt, daß die Stromversorger für die Endlagerung 40 Milliarden Mark gespart haben, weiß man, was man für einen Giganten vor sich hat. Da kann nicht einer alles bezahlen, der zufällig Grundstücke besitzt. Aber es sind ja nicht wenige, die den Widerstand unterstützen.

Weniger als je zuvor. 1979 haben 100.000 Menschen demonstriert. Beim Castor-Protest waren es gerade mal 10.000.

Der Bund hat ein großes Interesse, diese Bewegung als möglichst schwach darzustellen. Aber wenn jedesmal 60 Millionen Mark ausgegeben werden müssen, um die Castor-Transporte zu sichern, kann man davon ausgehen, daß der Widerstand enorm ist.

Ist Ihnen jeder Widerstand recht?

Meine Möglichkeiten liegen sehr stark im Bereich meiner Rechte als Eigentümer. Ich distanziere mich aber nicht von den Leuten, die in ihrem Widerstand andere Mittel einsetzen. Ich distanziere mich allerdings von Gewalt gegen Menschen. Man muß sich mal vor Augen halten, wie stark in unsere Rechte und unseren Anspruch auf Gesundheit eingegriffen wird. Wenn man sich vor einem Atomtransport auf die Straße legt, ist das in meinem Rechtsbewußtsein keine Nötigung, und ich schrecke davor auch nicht zurück.

Es gibt auch militante Gegner. Geraten Sie nicht zwischen die Stühle, wenn Sie das Hüttendorf „Castornix“ dulden?

Sicher gibt es Gegensätze. Ich kenne die Leute sehr gut, das sind hauptsächlich Freaks, die anders leben wollen. Die meisten sind aber ungefährlich. Diese Geschichte mit dem Widerstandsdorf ist für mich sehr unangenehm, denn der Landkreis hat mich als Verursacher ausgeguckt und gedroht, daß ich alle Räumungskosten zu tragen hätte. Dabei habe ich das Dorf nie genehmigt. Ich kann es doch nicht ändern – die bauen da ihre Dörfer.

Als Eigentümer haben Sie das Hausrecht.

Natürlich. Ich kann die Polizei rufen und sagen: Weg damit. Bloß wissen die auch, daß ich mich nicht als Spalter des Widerstands verstehe. Wenn der Staat sagt, das sei eine Bedrohung, kann er den Zustand auch beseitigen.

Wenn plötzlich eine andere Gemeinde das Endlager aufgedrückt bekäme, wären Sie dann immer noch Atomgegner?

Gegner würde ich sicher noch bleiben, es sei denn, man macht mir klar, daß das eine gute und verantwortbare Lösung ist. Doch bevor man weitere Entscheidungen fällt, sollte erst einmal klar sein, wie lange überhaupt noch Atomenergie genutzt werden soll und wieviel Abfall dabei entsteht. Vielleicht würde ich mich trotz eigener Nachteile fügen, wenn es eine klare Linie über eine umweltverantwortliche Energiepolitik gäbe.

Das Gespräch führten Michael Kalz und Alexander von Harling

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