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Zug hält nicht am Nationalpark

■ Der Sommerfahrplan der Bahn AG erzürnt Bewohner und Umweltschützer Mecklenburg-Vorpommerns

Schwerin (taz) – Seit dem 2. Juni fahren die Züge der Bahn AG auf 26 Bahnhöfen des nordöstlichen Bundeslands zwar noch durch, halten aber nicht an. Mecklenburg- Vorpommern hat ab sofort 117 Kilometer Bahnstrecke weniger, vier Strecken wurden völlig geschlossen. Auch der Müritz-Nationalpark ist nicht mehr auf dem Schienenweg zu erreichen. Auf den Strecken Waren–Malchin, Malchin–Dargun, Teterow–Gnoien sowie Sternberg–Karow gehört der Personenverkehr jetzt zur Geschichte. Cora Footh, Verkehrsexpertin der Grünen Liga, kommentiert erbost: „Die Landesregierung betreibt Steinzeit-Verkehrspolitik. Die da entscheiden, fahren wahrscheinlich nur Auto.“

Die Landesregierung in Schwerin begründet die in ihrem Auftrag ausgeführten Stillegungen mit „fehlendem“ Bedarf. Die Züge könnten doch nicht „an jeder Milchkanne“ anhalten, so ein Sprecher des zuständigen Wirtschaftsministeriums. Cora Footh sieht das anders: „Wenn ein Land zu einem großen Teil aus Milchkannen besteht, dann muß eben doch angehalten werden. Ein Flächenland braucht flächendeckende Angebote im öffentlichen Personennahverkehr.“

In der Öffentlichkeit argumentieren Bahn AG und Wirtschaftsministerium mit von ihnen durchgeführten Bedarfsanalysen und Verkehrszählungen. Offengelegt wurden die vollständigen Ergebnisse und ihre Methodik jedoch bis heute nicht. Grünligistin Footh kommen vor allem Zweifel an der Aussagefähigkeit vorgelegter Einzeldaten: „Auch wenn nur 15 Leute am Tag auf einem kleinen Bahnhof aussteigen, kann das prozentual mehr sein, als wenn auf einem größeren Bahnhof 500 Leute aus dem Zug aussteigen.“ Leute zählen allein sei unseriös. Die Daten müßten in Verbindung mit den Einwohnerzahlen und Nutzergruppen gesehen werden.

Betroffen von den Stillegungen ist auch der Ort Düsterfoerde auf der Strecke Neustrelitz–Berlin. Als hier am 2. Juni der Regionalexpress der Bahn AG zum ersten Mal durchfahren wollte, zogen Anwohner und Grüne-Liga-Leute die Notbremse. Etwa 200 Demonstranten am Bahnhof begrüßten den außerfahrplanmäßigen Halt mit Beifall. Bundesgrenzschutz, zivile Fahnder und Bahnpolizei hatten zuvor versucht, Aktionen zu verhindern. „Über 17.000 Unterschriften haben wir bereits gesammelt,“ so BI-Sprecher Wilfried Lembke. Viele Tourismusunternehmer unterstützen die Initiative, so auch Berget Kiel von der Hilly- Billy-Western-Ranch. „Düsterförde war vor allem für Gäste und Jugendgruppen aus Berlin ein idealer Aussteigepunkt. Wir brauchen diesen Bahnhof.“ Matthias Baerens

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