■ Mit „Mobil ohne Auto“ auf du und du: Protestantische Idee
Berlin (taz) – Rund 39 Millionen Autos fahren auf deutschen Straßen herum. Wenn sie fahren. Häufig genug stehen sie im Stau. Sie sind mit 20 Prozent an den CO2 Emissionen Deutschlands beteiligt. Und sie kosten Menschenleben: 9.000 Verkehrstote und 500.000 Verletzte zählt die Statistik. Mit solchen unbestrittenen Fakten ruft die Aktion „Mobil ohne Auto“ dazu auf, am Sonntag, dem 16. Juni, den eigenen Wagen stehen zu lassen.
Langweilig muß es deshalb niemandem werden. Die Organisatoren setzen auf dezentrale Aktionen, und erwarten, daß mindestens eine halbe Million Menschen teilnehmen. Etwa 400 Veranstaltungen sind bei der zentralen Koordinationsstelle gemeldet, Fahrradtouren, Diskussionen – und Gottesdienste. Denn die Idee der Aktion stammt aus der kirchlichen Opposition der ehemaligen DDR. 1981 rief der evangelische Pfarrer Gensichen am Kirchlichen Forschungsheim in Wittenberg zum ersten Mal zu einem autofreien Sonntag auf. Es ging den Protestanten nicht allein um den stinkenden Trabi. Unter der Parole „Mobil ohne Auto“ war es möglich, gegen die gesamten Umweltsünden des Regimes zu demonstrieren. Die Aktion wurde jährlich wiederholt. Erst 1989 fiel sie der Wende wegen aus, doch schon 1990 Jahr griffen sie die BUND- und Naturschutzjugend in Bayern auf. Etwa 20.000 Menschen kamen zu seinen Veranstaltungen. Der BUND-Vorsitzende Weinzierl allerdings wurde im Auto ertappt – der Jugendverband hatte vergessen, die Zentrale zu unterrichten.
Zwei Jahre später hatte sich die Zahl der Teilnehmenden bundesweit verdoppelt, und die wiedervereingte evangelische Kirche erinnerte sich des christlichen Ursprungs der Idee. Seit 1994 lassen sich die evangelischen Landeskirchen durch ihre Umweltbeauftragten im sogenannten Trägerkreis der Aktion vertreten. Etwa 500.000 Menschen kamen in diesem Jahr zu den Veranstaltungen. Danach schlossen sich auch Gewerkschaftsverbände an – sogar die IG-Metall-Jugend ist heute mehrheitlich der Meinung, daß die Autoindustrie in Deutschland zumindest nicht ausgebaut werden solle. Niklaus Hablützel
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