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Manchester am Tag nach der Bombe

■ Die IRA-Bombe in der Innenstadt von Manchester forderte ein Menschenleben. Das Motiv bleibt unklar: Eine Absage an die Allparteiengespräche in Nordirland oder letztes Signal vor der Waffenruhe?

Manchester/Dublin (taz) – Als es Nacht wurde, war die Innenstadt von Manchester noch immer wie ausgestorben. Vor den Metallabsperrungen liefen zwar die Menschen wieder in die Pubs, wie es am Samstag üblich ist, doch ins Zentrum durfte niemand. Wer dort in sein Hotel wollte, hatte Pech. „Das kann eine lange Nacht werden“, sagte ein Polizist an der Absperrung. Die Irisch-Republikanische Armee (IRA) hatte um 9.40 Uhr morgens vier Warnungen an verschiedene Medien durchgegeben. Mit einem Codewort, das der Polizei bekannt ist, hatte der Anrufer die Authentizität nachgewiesen. Von einem Hubschrauber aus forderte die Polizei die Menschen auf, die Innenstadt zu verlassen, doch als die Bombe um 11.20 Uhr hochging, war die Evakuierung noch im Gange. Mehr als 200 Menschen wurden verletzt, 17 schwer. Eine Britin erlag erst gestern ihren Verletzungen.

Es war die zweite IRA-Aktion innerhalb von acht Tagen. Vorletzten Freitag war der Polizist Jerry McCabe im südirischen Limerick erschossen worden. Die IRA stritt zunächst jede Beteiligung ab, mußte aber vorgestern zugeben, daß es sich bei den Tätern um IRA-Mitglieder gehandelt hat. „Die Erschießung steht in direktem Widerspruch zu IRA-Befehlen“, heißt es in der Presseerklärung, „solche Erschießungen waren und können nicht von der IRA-Führung sanktioniert werden.“ Man werde Aktionen dieser Art nicht tolerieren.

Die Bombe von Manchester war jedoch von der IRA-Führung abgesegnet, darauf deuten zumindest die Umstände hin. Welches Motiv dahintersteckt, ist unklar. Möglich ist, daß es eine endgültige Absage an die Friedensverhandlungen unter Vorsitz des ehemaligen US-Senators George Mitchell ist, die vorigen Montag begonnen haben. Sinn Féin, der politische Flügel der IRA, bleibt davon ausgeschlossen, solange die IRA keinen neuen Waffenstillstand erklärt. Optimisten in Dubliner Regierungskreisen hoffen, daß die Bombe von Manchester ein letztes Signal vor der Verkündung einer Waffenruhe war.

Die reicht aber nun nicht mehr, um Sinn-Féin-Präsident Gerry Adams einen Platz am Runden Tisch zu sichern. Irlands Premierminister John Bruton sagte gestern: „Sinn Féin hat die Mitchell- Prinzipien akzeptiert, und das bedeutet, daß Sprengstoff wie in Manchester und die Kalaschnikow von Limerick ausgemustert und zerstört werden müssen. Sonst werden Menschen wie Jerry McCabe, die Bewohner von Manchester oder sonst irgend jemand auf diesen Inseln niemals sicher sein.“

US-Präsident Bill Clinton sprach gestern von einem „brutalen und feigen Akt des Terrorismus“. Der britische Labour-Chef Tony Blair sagte: „Wenn die IRA glaubt, daß sie die Entschlossenheit irgendeiner Regierung durch solche Aktionen aufweichen könne, dann ist sie furchtbar im Irrtum.“ Und Premierminister John Major meinte: „Diese Bombe ist mitten in ein Einkaufszentrum mitten in Manchester gelegt worden. Es gibt keinen Zweifel, daß sie töten sollte.“

Am Samstag vormittag wimmelte es von Menschen in der Innenstadt von Manchester, darunter auch zehntausend Deutsche und ein paar hundert Russen, die wegen des gestrigen Fußballspiels zwischen beiden Ländern in die Stadt gekommen waren. Sprengstoffexperten der Polizei hatten die Bombe in einem orangeweißen Lieferwagen in der Nähe des Arndale-Einkaufszentrums geortet. Als sie den Lieferwagen mit Hilfe eines ferngesteuerten Roboters untersuchten, ging die Bombe hoch. Zwei Stunden vor der Explosion hatte man dem Lieferwagen wegen Falschparkens noch einen Strafzettel hinter den Scheibenwischer geklemmt.

„Es ist ein Wunder“, sagte ein Polizeisprecher, „daß niemand getötet worden ist.“ Noch einen knappen Kilometer vom Explosionsort entfernt wurden bei dem Hotel „Midland“ verbogene Metallstücke gefunden, und der Putz war von den Wänden gefallen. Im „Midland“ residiert während der Fußball-EM die Manchester-Delegation der UEFA. Direkt daneben soll die Polizei eine von zwei weiteren Bomben entschärft haben. Die UEFA-Angestellten waren während der Detonation draußen im Stadion Old Trafford. Auch dort wurde evakuiert. Manchester glich einer Geisterstadt. Überall standen Straßensperren. Gestern wurden die Sicherheitsvorkehrungen im Stadion intensiviert. Dann wurde Fußball gespielt. Peter Unfried/Ralf Sotscheck

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