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Wunderland ohne Alice

■ Im Oldenburger Schloßgarten blieb bei Shakespeares „Sommernachtstraum“ allerlei Groteskes in guter Erinnerung

Es war einmal an einem Samstag im Juni, da tummelten sich grüne Flügelwesen, auch Elfen genannt, auf einer Lichtung im schmalen Licht. Und an einem Seil über dem Wasser teufelte ein frivoles Menschlein mit schelmischem Grinsen durch die Luft. Ein paar Minuten später waren sie alle wieder zu sehen: die Elfen, die Gnome und andere Außerirdische, auf einer Treppenruine stehend, die groß und breit in den Abendhimmel ragte.

Wie ein Ausflug in das wunderliche Land von Alice gestaltete sich der Sommernachtstraum von William Shakespeare in einer Inszenierung der Oldenburger Kulturetage. Am vergangenen Samstag kam endlich die schon im letzten Jahr entstandene Aufführung des Sommernachtstraums an den Ort, an den sie gehörte: ins Grüne des Oldenburger Schloßgartens. In der Tradition der Sommertheater produzierte damals das Ensemble mit seinen Gästen das Stück für das 650jährige Stadtjubiläum.

Der Oldenburger Schloßgarten war dafür die geeignete Spielstätte. Der Promeniergarten verwandelte sich mit den grotesken Figuren des Sommernachtstraums zu einem Zauberwald.

Wer jedoch auf ein menschliches Wesen wie Alice hoffte, das in dieses Wunderland hineinstolpert, um dem ganzen faulen Zauber auf den Leim zu gehen, der wurde enttäuscht. Ob Theseus, Herzog von Athen, oder der Handwerker Peter Squenz, sie alle waren irreale Figuren der Phantasie, die allem Irdischen von Anfang an verschlossen blieben. Keine Irrungen und Wirrungen und auch keine ovidschen Metamorphosen. Shakespeares virtuose Mischung aus Traum und Wirklichkeit blieben unter der Regie von Jost Krauer und Dieter Ockenfels leider auf der Strecke.

Stattdessen beschränkten sich die beiden Regisseure auf einen einfachen Plot mit wirkungsvollen Kostümen und großen Gebärden. Ein nicht immer gelungener Versuch, sich der Spielweise der commedia del' arte zu bedienen.

Wie brutal der Sommernachtstraum sein kann, hatte die Jungregisseurin Karin Beyer auf dem diesjährigen Theatertreffen in Berlin gezeigt. Mit martialischen Bildern protestierte sie gegen die Verherrlichung der Liebe und sorgte für Aufsehen. Krauer und Ockenfels feierten hingegen ein zauberhaftes Kostümfest, das auf Provokation und Zynismus verzichtete.

Und dennoch wird eine Vielzahl von grotesken Bildern und Eindrücken noch lange in guter Erinnerung bleiben; hier vor allem die phantasievollen Kostüme (Kerstin Laackmann) und eine riesige, in den Schloßgarten installierte Treppe (Bühnenbild: Kalle Krause).

Und mittendrin zwei großartige Schauspieler: Franz Fendt als quirliger Puck und Tina Harms als Elfe mit der Naivität einer Biene Maja. Wie Irrwische jagten sie inmitten ihrer meist schwer mutierten Kollegen über die Bühne. Bald schwebten sie, bald trollten sie, bald tobten oder scharwenzelten sie über die grüne Landschaft, daß man innerlich schon jubelte, sobald sie die Bühne betraten.

Fürs Publikum war's eine kurzweilige Theaternacht mit vielen wunderlichen Kostümen und der kleinen Biene Maja, die mit Peter Squenz auf dem Arm bewies, daß auch Elfen nur Menschen sind.

Thomas Lotte-Fooken

Weitere Vorstellungen 3.7.-7.7., 9.7.-14.7., 21 Uhr, Schloßpark Oldenburg

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