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■ Was bedeutet es, wenn Frauen Soldatinnen werden: Gleichberechtigung oder Militarisierung der Gesellschaft?Sturm auf die letzte Männerbastion

Als die US-Amerikanerin Shannon Faulkner 1994 als erste Frau gerichtlich den Zugang zur Elite-Kadettenschule Citadel erzwungen hatte, wurde ihr Haus mit blutroter Schrift besprüht: „Schlampe“, „Hure“, „Lesbe“ stand dort. „Shannon stirb“ stand auf einem Plakat zu lesen, das unweit ihres Wohnorts montiert wurde, jemand schraubte das Überdruckventil des Heißwassersystems in ihrem Haus ab. Diese Reaktionen zeigen, wie grundlegend Militär und Männlichkeit verbunden sind. Was passiert, wenn jetzt auch die Frauen zu den Waffen greifen?

In der Zeitschrift Emma werden gern Kriegerinnen verherrlicht, weil sie dem Bild der friedliebenden, sorgenden Helferin widersprechen. Doch vor allem in den USA gibt es differenziertere Befürworterinnen einer Integration der Frauen ins Militär. Dies sei ein empfindlicher Angriff auf eine der letzten Männerbastionen: einen Hort chauvinistischer Männlichkeit, der schon durch weibliche Präsenz erheblich durcheinandergebracht würde. Dafür sprechen nicht zuletzt die hysterischen Reaktionen im Fall Faulkner.

US-Feministinnen behaupten sogar, die Präsenz von Frauen habe dem Militär durchaus keinen Legitimationsschub verschafft, sondern sexuelle Gewalt als Kriegswaffe innerhalb der Organisation zur Disposition gestellt. Und das sei ein erster Schritt, um Gewalt als Mittel der Politik überhaupt in Frage zu stellen.

In Deutschland steht Alice Schwarzer unter Feministinnen immer noch ziemlich allein mit ihrer Forderung „Frauen in die Bundeswehr“. Dabei argumentiert sie gar nicht so simpel, wie sich die Emma präsentiert. Als Pazifistin sei sie gegen Bundeswehr und Wehrpflicht, schrieb sie 1984 – als Feministin aber auch gegen jeglichen Ausschluß von Frauen.

Das Militär erachtet es offenbar als überlebensnotwendig, Frauen weitgehend außen vor zu lassen. So ist der weibliche Anteil fast nirgends höher als etwa zehn Prozent. In der US-Army arbeiten 230.000 Soldatinnen (12 Prozent), in Kanada 8.800 (11 Prozent), in Großbritannien 19.500 (7 Prozent). Überall gibt es massive Ausschlußmechanismen. So besteht in der israelischen Armee ein dezidiertes Kampfverbot für Soldatinnen.

Ein weiteres feministisches Pro- Argument lautet: Frauen müssen sich auch am staatlichen Gewaltmonopol beteiligen, um mitentscheiden zu können. So sind beispielsweise kaum Frauen in den militärischen Abteilungen der UNO vertreten, die maßgeblich über UNO-Einsätze befinden. Deren Entscheidungen würden anders laufen, wenn mehr Frauen beteiligt wären, behaupten manche – zum Beispiel einige der wenigen weiblichen Offiziere in der UNO.

Die Hoffnung, daß weibliche Beteiligung das Militär zivilisieren würde, ist allerdings spekulativ. Der Blick in die Wirklichkeit stimmt eher skeptisch. So existieren in den USA Frauenorganisationen, die das Militär überwachen. Die hochkarätigste heißt Dacowits (Defense Advisory Comitee on Women in the Services), in der Frauen aus dem zivilen und militärischen Bereich vertreten sind, die ihre Empfehlungen direkt an das Verteidigungsministerium leiten.

Gegen Mißstände im Militär haben sie schon öfter protestiert, gegen politische Entscheidungen bei Militäreinsätzen noch nie. Auch nicht gegen die verschleiernde Propaganda im Golfkrieg, die sogar innerhalb der Army auf Kritik stieß. Die Erfahrung mit Dacowits in den USA lehrt immerhin, daß eine Berufsarmee auf jeden Fall neue politische Kontrollmechanismen braucht, auch nach innen.

Das fällt bei der deutschen Diskussion über die Abschaffung der Wehrpflicht bisher völlig unter den Tisch. Dabei gibt es sogar in der Bundeswehr manche, die eine solche Kontrolle befürworten. Denn sie befürchten, daß mit der Wehrpflicht auch die gesellschaftliche Anbindung verlorengehen würde, und PolitikerInnen sie als beliebiges Instrument einsetzen würden.

Daher wäre es jetzt sinnvoll, über eine feministische Beteiligung an militärisch-zivilen Kontrollmechanismen nachzudenken, da absehbar ist, daß die Bundeswehr über kurz oder lang zu einer Berufsarmee umgewandelt wird. Dies war auch der Sinn von Kohls Botschaft, als er letzte Woche überraschend erklärte, das Bundesverfassungsgericht könnte eine Wehrpflicht für Frauen anordnen. Indem Kohl die Frauen ins Spiel bringt, deutet er im Grunde ein Ende der Wehrpflicht an. Denn wenn auch Frauen eingezogen werden müßten, liefe dies in Zeiten der Truppenreduzierung de facto zwangsläufig auf die Abschaffung der Wehrpflicht hinaus. Der Übergang zur Freiwilligenarmee würde folgen – eventuell mit einer zeitweiligen parallelen Wehrpflicht. Was Kohl also eigentlich sagen will, ist: Frauen statt Wehrpflicht.

Dagegen wandten sich die Bündnisgrünen und die SPD. Pikanterweise äußerte sich kein grüner Pazifist, sondern ausgerechnet Interventionsbefürworter Joschka Fischer als erster Mann der Fraktion zum Thema Frauen und Wehrpflicht. „Wir lehnen das grundsätzlich ab“, sagte er und erklärte die Diskussion für beendet. Daraus müßte man eigentlich schließen, daß Intervention Männersache ist. Und daß Fischer es weniger wichtig fand, den Vorschlag seiner Parteikollegin Rita Grießhaber zu kommentieren, als den Vorstoß führender Politiker der Regierungskoalition, die gefordert hatten, „das letzte geschlechtsspezifische Berufsverbot“ aufzuheben. Dabei hatte Grießhaber schon vor Wochen versucht eine Diskussion über Soldatinnen zur Bundeswehr loszutreten.

Damit haben die Bündnisgrünen eine Diskussion für beendet erklärt, die sie gar nicht geführt haben. Auf Grießhabers Vorschlag hatten ausschließlich Frauen geantwortet, die ihr Militarismus vorwarfen. Weil das Thema Gleichberechtigung ausgeklammert blieb, fehlt in der Diskussion noch die eigentliche Frage: nämlich wie Gleichberechtigung und Militarismus zusammenhängen. Die Erfahrung anderer Länder bisher zeigt: Frauen im Militär machen dieses nicht friedliebender. Frauen im Militär sind Frauen, die ans Militär glauben. Karin Gabbert

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